Anubis 02 - Horus
dachte nur, ich … hätte etwas gehört.«
»Was willst du denn hier unten hören?«, erwiderte eine dritte, härtere Stimme. »Hier ist nichts. Nur Ratten und Spinnen.«
»Aber sie ist hier runtergelaufen! Ben hat es gesehen. Und Matt auch!«
Bast seufzte lautlos in sich hinein. Also wussten sie nicht nur, dass sie hier war, sondern auch, dass sie eine Frau verfolgten. Sehr viel schlechter hätte es gar nicht laufen können!
»Matt! Blödsinn! Wahrscheinlich ist er wieder mal betrunken! Und Ben plappert sowieso alles nach, was man ihm vorsagt! Lasst uns umkehren, bevor noch was passiert!«
»Noch eine Minute, okay. Wir gehen noch bis zur nächsten Abzweigung und machen dann kehrt.«
Bast hatte genug gehört – und womöglich noch weniger Zeit, als sie ohnehin geglaubt hatte. Wenn die Männer umkehrten, dann würden sie sie sehen, und sie wäre möglicherweise gezwungen, etwas zu tun, was sie nicht tun wollte. Das unnatürlich weiße Licht der Karbidlampe zog sich zitternd zurück, und auch Bast setzte ihren Weg fort, so schnell sie konnte. Nach wenigen Augenblicken hatte sie die Treppe erreicht und huschte lautlos über die Gitterstufen nach oben.
Wahrscheinlich wäre es nicht nötig gewesen, vorsichtig zu sein, denn sie hörte einen ganzen Chor aufgeregter Stimmen und durcheinanderhastender Schritte und schlagender Türen, noch bevor sie das obere Ende der Wendeltreppe erreichte. So viel zum Thema unauffällig, dachte sie grimmig. Zumindest in diesem Bereich des Museums herrschte Ausnahmezustand. Warum hatte sie nicht gleich einen Reporter samt seiner Kamera eingeladen, Mrs Walsh und sie zu begleiten?
Wenigstens auf dem nächsten Stück hatte sie Glück. Trotz der allgemeinen Aufregung war sie allein, als sie das obere Ende der Treppe erreichte und losstürmte, aber das würde ganz bestimmt nicht lange so bleiben.
Und ihre Glückssträhne war auch reichlich kurz: Sie war sehr sicher, die Tür hinter sich geschlossen zu haben, aber jetzt stand sie sperrangelweit offen, und sie hörte aufgeregte Stimmen, die wild durcheinanderredeten. Eine davon gehörte Gloria Walsh. Und als wäre das nicht genug, näherten sich ihr nun auch von hinten Schritte.
Bast vergaß auch noch den allerletzten Rest von Vorsicht, legte das letzte Stück im Laufschritt zurück und stürmte durch die Tür.
Es war schlimmer, als sie erwartet hatte. Mrs Walsh saß, noch immer am ganzen Leib zitternd und totenbleich, auf einer sarggroßen Kiste – was sie allerdings nicht daran hinderte, sich lautstark und heftig gestikulierend mit einem von gleich drei Wächtern zu streiten, die außer ihr noch hier drinnen waren. Der zweite war damit beschäftigt, sehr aufmerksam durch den Raum zu schreiten und seinen Inhalt zu inspizieren, während sein Kamerad scheinbar dasselbe tat, aber dann und wann stehen blieb und mit dem Fuß aufstampfte. Funken stoben auf, und in der Luft hing Brandgeruch. Bast registrierte auf einer tieferen Ebene, dass sich irgendetwas hier drinnen verändert hatte, aber sie konnte nicht genau sagen was, und jetzt war auch nicht der richtige Moment, um darüber nachzudenken.
Rasch und ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern durchquerte sie den Raum, erreichte den ersten Mann, bevor er ihre Anwesenheit auch nur bemerkte und berührte ihn beinahe sanft im Nacken. Der Mann verdrehte die Augen und brach mit einem lautlosen Seufzen zusammen, und danach wurde es schwieriger.
Der Vorteil der Überraschung war dahin, und die beiden anderen Männer reagierten weitaus schneller und konsequenter, als ihr lieb war: Der, mit dem Mrs Walsh gestritten hatte, richtete sich erschrocken auf und hielt plötzlich wie durch Zauberei einen Schlagstock in der Hand, der andere wandte sich unverzüglich zur Flucht und versuchte, an ihr vorbei zur Tür zu kommen.
Bast stellte ihm ein Bein, und er fiel der Länge nach hin und setzte seinen Weg hilflos auf Bauch und Gesicht schlitternd fort, und noch bevor er so wuchtig gegen die Wand prallte, dass er augenblicklich das Bewusstsein verlor, sprang sie den dritten Wächter an und entrang ihm seine Waffe.
Er setzte sich zur Wehr, und für einen Sterblichen war er nicht nur überraschend stark und entschlossen, sondern auch schnell.
Vielleicht war sie auch nur besonders langsam geworden.
Gleichwie, der Wächter zeigte sich wenig beeindruckt von der Mühelosigkeit, mit der sie ihm seinen Knüppel weggenommen hatte, sondern versuchte entschlossen nach ihrem Gesicht zu schlagen. Bast fegte
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