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Anwältin der Engel

Titel: Anwältin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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alles – einfach alles – zurückverfolgen. Einschließlich des Kaufs einer Zweihundert-Watt-Taschenlampe. Den Sie getätigt haben. Und die Dellen im Metall, Mr. Lindquist, werden zu den Dellen im Kopf des armen Probert Chandler passen.«
    Manny stieß einen Triumphschrei aus. Der Beton war nur etwa sieben Zentimeter dick. Die Taschenlampe lag in einer flachen Grube vergraben. Manny griff in die Erde und hielt die Taschenlampe mit der behandschuhten Hand hoch.
    Hunter, der gerade zusammen mit Markham aufgetaucht war, hatte Bree einmal erzählt, dass ein Verbrecher nur drei Dinge tun konnte, wenn er mit den Beweisen konfrontiert wurde. Davonlaufen. Lügen. Oder die Aussage verweigern. Lindquist lief davon. Hunter und Markham schnappten ihn, kurz bevor er sein Auto erreichte.
     
    »Wenn es so wie beim letzten Mal abläuft, werde ich rechtzeitig zum Tee zurück sein.« Bree zog ihren roten Samttalar aus dem Karton, schüttelte ihn aus und hielt ihn vor sich. Sie, Petru und Ron standen im sechsten Stock des fünfstöckigen Gerichtsgebäudes von Chatham County.
    »Dieses Berufungsgericht ist aber etwas ganz anderes«, sagte Petru mit düsterer Miene. »Das ist kein Verkehrsgericht, liebe Bree.«
    Ron hüllte sie in den Talar und zupfte einen Ärmel zurecht. Allmählich mochte Bree diesen Talar. Lavinia hatte das Revers mit einer wunderbaren Goldstickerei verziert. Der Samt war hauchdünn und schimmerte in den Farben eines Sonnenuntergangs. Ron schlug den Kragen hoch. Die Wand, auf der das große goldene Emblem des Himmlischen Gerichtshofs prangte, spiegelte ihre Gestalt wider. Sie sah wie eine Fremde aus. Ihr silbriges Haar war kunstvoll zu hochgesteckten Zöpfen geflochten. Der goldene Kragen rahmte ihr Gesicht wie ein Heiligenschein ein. Sie erinnerte auf eine geradezu unheimliche Weise an einen der Engel, mit denen die Treppe im Haus in der Angelus Street bemalt war.
    »Ihr Plädoyer«, sagte Petru und reichte ihr einen Stapel kunstvoll beschriebener Pergamentblätter. »Der Fall wird recht gut darrgelegt, auch wenn ich das selbst sage. Mr. Probert Chandler fand heraus, dass Lindsey Hansens Tochter ist und dass sein Parrtner Hansen Zugang zu den Medikamenten im Lager gewährte. Er stellte Lindquist zur Rede und hatte die Absicht, gegen ihn vorzugehen, selbst wenn er damit alles, was er aufgebaut hatte, zerstört hätte. Dies müsste zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen. Er hat das Kind, das er aufgezogen hatte, nicht verraten. Er hat sogar versucht, sie zu retten.« Er seufzte schwer. »Dieser Fall kann jeden nur denkbaren Verlauf nehmen. Auf den Himmel darrf er aber nicht hoffen, würde ich sagen; ich drücke ihm die Daumen und hoffe, dass er ins Fegefeuer kommt.«
    Bree holte tief Luft, klopfte an die Bronzetür, auf der REVISIONSKAMMER stand, und trat ein.
    Sie erstarrte.
    Benjamin Skinner hatte sie in einem stillen, wolkigen Raum ohne Decke verteidigt. Damals war nur ein Engel anwesend gewesen, ein entzückender, schelmischer alter Knabe, der sich geräuspert hatte, als sie mit ihrem Plädoyer begann, und der sie dann mit einer onkelhaften Handbewegung entlassen hatte.
    Dieser Raum hier machte einen völlig anderen Eindruck.
    Sie stand auf einer Galerie, die um den oberen Teil eines riesigen Saals verlief, der von bläulichem Licht erfüllt war. Statt einer Decke befand sich eine dunkle, wolkige Masse wallender Luft über ihr. Die Wände des riesigen Saals unter ihr hatten eine Holztäfelung, die mit Malereien geschmückt war. Auf den ersten Blick ähnelten die Malereien den Engeln auf Lavinias Treppe. Doch dann bemerkte Bree, dass die gemalten Figuren sich bewegten und Szenen aus den Fällen darstellten, die in den Dokumenten, die sie in der Hand hielt, angeführt waren.
    Der Saal unten war dagegen wie ein ganz normaler Gerichtssaal gestaltet. Rechts befand sich das Podium des Anklägers, links das der Verteidigung. Und auf dem Tresen des Richters stand eine große goldene Waage. Die Waagschalen bewegten sich im Luftzug sanft auf und ab.
    Caldecott und Beazley nahmen ihre Plätze auf der rechten Seite ein.
    Von der Galerie führte eine breite Treppe nach unten.
    Bree stieg hinab.

Epilog
    »Sie arbeiten an einem Sonnabend, Bree? Haben Sie denn einen dringenden Fall?« Cordelia Eastburn war keine sonderlich voluminöse Frau, schien im Fahrstuhl aber eine Menge Platz einzunehmen. Sie drückte auf den Knopf, um ins Erdgeschoss des Gerichtsgebäudes zu fahren.
    »Eine Berufungsverhandlung«, erklärte Bree.

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