Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)
Sie bitte niemals in die Immobilienbranche ein, sollten Sie zu Vermögen kommen.«
Besonders hat mir gefallen, wenn sie vor dem Spiegel stand und sich betrachtete, erregt wie ein junges Birkhuhn, das zum ersten Mal in seinem jungen Leben einen Auerhahn entdeckt hatte. »Das Größte ist es«, sagte sie, »im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.« Ich bin mir sicher, ihre Blutdruckpräparate hatten an solchen Tagen keine Chance, ihre Aufgabe zu erfüllen. Textile Erregung setzt Antihypertonika sicher bei mancher Dame außer Kraft. Sie hatte etwas von Montserrat Caballé, der großen Operndiva, oder einem Dirigenten, da sie mit ihren Händen ständig versuchte, den Takt anzugeben. Sie lief manchmal wie ein aufgescheuchtes Huhn durch das Atelier, war aufgeregt und wollte für die Vollendung ihres Looks eine Feder, eine Litze oder Strass-Steine. »Den letzten Pfiff mache ich selbst«, hat sie immer gesagt. »Herr Kretschmer, wir sind ein tolles Gespann.« Wenn eine Federboa oder sonst eine Zutat oder eine Brosche ihr Wohlgefallen fand, dann strahlte sie so sehr und rief: »Perfekt, Herr Kretschmer! Das ist herrrrrrrrrlich.« Und alle haben sich gefreut.
Ihre Freude kam mit 180 zu 100 PS . Was hatte der liebe Gott nur vorgehabt, als er sie entworfen hatte. Der Motor war zu schnell für die ganze Karosserie. So schnell, wie sie Auto fuhr, war auch ihr Mundwerk. Wie können 130 Kilo nur so plappern. Jedes Gramm ihres runden Körpers musste doch durch den kleinen Mund aufgenommen werden, aber es war ein Wunder, dass sie überhaupt Zeit zum Essen fand.
Gefallen hat mir immer, wenn sie von dem Tag sprach, an dem das Ereignis mit dem Mofa stattfand. Diese Geschichte hatte ihr Wohnweltbild nachhaltig erschüttert: Bei einem ihrer obligatorischen Hausbesuche führte sie ihr Weg in eine, wie sie zu sagen pflegte, »Viereinhalb-Zimmer-sogar-mit-Balkon-und-Doppelbad-Wohnung kernsaniert«, gesprochen mit einem sehr langen »e«: keeernsaniert. Wenn sie etwas nicht mochte, dann Schmutz, Unordnung, Dummheit, Banken, Gewerbesteuer und PS auf zwei Rädern. »Wer sich kein Auto leisten kann«, sagte sie, »soll mit der Bahn fahren. Hören Sie doch auf mit der Freiheit auf zwei Rädern. Wenn die Leute in der Jugend nicht so viel Fahrrad fahren würden, kämen sie gar nicht auf die Idee, sich irgendwann als erwachsener Mensch einen Motor dranzuhängen. China und Holland haben für mich ein ernsthaftes Problem, Herr Kretschmer. Wenn Räder automatisch rollen, sollten sie auch die Möglichkeit dazu bekommen. Ich bin modern, das Auto ist der beste Freund in meinem Leben, und wer es nicht fährt, ist dämlich.« Ich habe ihr nie erzählt, dass in meiner Heimatstadt Münster ein Fahrradparkhaus gebaut wurde. Sie hätte, wenn ihr die Liegenschaft gehört hätte, niemals ihre Erlaubnis dazu gegeben, da bin ich mir sicher! In jener Traum-Doppelbad-Wohnung wurde die Tür wohl von der Tochter des Hauses geöffnet. Ohne dass ihr jemand Einhalt gebieten konnte, drang »Frau Maisenkaiser« direkt in das Herz der Immobilie vor. Auf dem Wohnzimmertisch stand ein Mofa, zerlegt in all seine Einzelteile. Der Boden, ihr Parkettboden, war ölverschmiert. Es stellte sich heraus, dass dieses Traumetablissement zur Hälfte als Wohnung und zur Hälfte als Werkstatt missbraucht wurde. Ihr Alptraum hatte Gestalt angenommen. Hinter jeder Tür wurde ab jetzt eine Reparaturwerkstatt oder eine Scheinselbstständigkeit vermutet.
Das große Paillettenkleid war die letzte Bestellung, die sie bei uns arbeiten ließ. Sie hat den großen Ball nicht mehr erleben dürfen. Ich bin so froh, dass sie nicht von einem Mofa angefahren wurde. Ihre Haushälterin erzählte mir später in einem Brief, dass sie sich am Tag ihres Todes extrem verausgabt hatte. Aus Wut über das Chaos in einer Studenten- WG hatte sie stundenlang geputzt und ist anschließend tot umgefallen. Der letzte Satz in ihrem Brief lautete: »Sie wissen hoffentlich, wie gerne sie Sie hatte, lieber Herr Kretschmer. ›Dem Herrn Kretschmer hätte ich alles vermietet‹, pflegte sie zu sagen. Sie hatte Sie sehr, sehr gern.« »Ich sie auch«, dachte ich und hoffe, im Himmel fahren keine Mofas mit 180 zu 100.
Woran erkennen Sie das Himmelsmädchen?
Wie der Name schon verrät, hat das Himmelsmädchen mehr oben als unten. Diese Körperform hat einen massiven Oberkörper, wenig bis gar keinen Po, aber dafür tolle Beine. Genau die sollte das Himmelsmädchen zusammen mit ihrer prallen Oberweite in Szene setzen –
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