Apartment in Manhattan
sein Gesicht, um herauszufinden, wie er das meint. Sucht er nach einem originellen Weg, eine Leiche verschwinden zu lassen?
„Kommt darauf an, was Sie mit kreativ meinen“, antworte ich.
„Okay, falls es Sie interessiert, habe ich womöglich ein ganz spannendes kleines Projekt für Sie. McMurry-White will ein neues Produkt auf den Markt bringen, das noch keinen Namen hat. Bisher hat noch niemand eine wirklich gute Idee gehabt, deswegen soll sich jetzt unser Kreativ-Team damit beschäftigen. Sie haben uns gebeten, Ideen zu sammeln. Nun, bevor ich fortfahre, muss ich Ihnen sagen, dass das hier streng vertraulich ist.“
„Selbstverständlich“, sage ich, und mir schwirrt der Kopf. Das klingt sehr viel spannender als alles, was ich sonst tue, wie zum Beispiel mit nicht funktionierenden Büromaschinen zu kämpfen und Termine mit seinem persönlichen Fitness-Trainer zu vereinbaren. Hinzu kommt: Es ist absolut legal.
„Es geht um einen revolutionären Roll-On-Deostift, der eine ganze Woche hält“, sagt Jake und lehnt sich nach vorne.
„Eine ganze Woche? Und das funktioniert?“
„Angeblich. Ich bin gespannt, was für Ideen Sie haben. Und denken Sie dran: vertraulich!“
„Klar.“ Das entschuldigt fast die Geschichte mit dem Strafzettel. Wenn meine Eltern und Freunde zu Hause erst davon erfahren! Okay, den Namen für ein Deo zu finden ist vielleicht nicht gerade der Wahnsinn, aber doch deutlich glamouröser als alles, was Brookside mir bieten könnte.
„Das war’s“, sagt Jake, nimmt den Basketball wieder hoch und zielt.
„Kann ich gehen?“
„Wiedersehen“, sagt er und wirft den Ball in die Luft. „Jaaaaa!“ ruft er, als er schon wieder trifft.
Ich verdrücke mich schnell.
Latisha, Brenda und Yvonne warten rauchend vor dem Gebäude auf mich. Sie sind nicht die Einzigen – der Eingangsbereich ist belagert von Flüchtlingen, die ihren rauchfreien Büros entkommen sind. Yvonne erzählt endlose Geschichten aus den guten alten Tagen, bevor die militanten Nichtraucher auf den Plan traten, als man noch einen Aschenbecher auf dem Schreibtisch stehen haben und sich die Lunge aus dem Leib rauchen durfte.
„Wird aber auch Zeit“, sagt Brenda. Sie wirft die Zigarette auf den Boden und tritt sie mit ihren unwahrscheinlich hochhackigen Schuhen aus.
„Tut mir Leid. Ich hatte noch was mit Jake zu besprechen.“ Während wir die Straße hinunterlaufen, zünde ich mir eine Salem an und inhaliere tief.
„Was will er denn?“ fragt Latisha. „Sollst du wieder seine Anzüge aus der Reinigung holen?“
„Diesmal nicht.“ Ich überlege kurz, ob ich ihnen von dem Strafzettel erzählen soll, entscheide mich dann aber dagegen.
Latisha und Yvonne sagen immerzu, dass ich mich wehren muss, wenn Jake die geschäftlichen Grenzen überschreitet. Brenda, die eher ein Fußmatten-Typ ist, mischt sich in so ein Gespräch meistens nicht ein.
Es ist aber so, dass es mir meistens gar nichts ausmacht, persönliche Dinge für Jake zu erledigen.
Okay. Es macht mir etwas aus. Doch nicht so viel, dass ich ihn darauf ansprechen müsste.
„Will reist dieses Wochenende ab, wie?“ So wie Brenda fragt, ist klar, dass die drei das Thema bereits diskutiert haben, bevor ich aufgetaucht bin.
„Ja, er ist schon so gut wie weg“, sage ich leichtherzig und kann gerade noch verhindern, eine Kinderwagen schiebende Nanny mit meiner Zigarette zu verbrennen.
Mein Gott ist das heiß hier draußen – und vollgestopft mit schwitzenden Touristen, obwohl doch erst Anfang Juni ist. Ich denke an die langen Monate, die vor mir liegen und die ich überall lieber als hier verbringen würde. Selbst Brookside kommt mir auf einmal gar nicht mehr so schlimm vor.
„Wirst du dich mit anderen treffen, solange ihr getrennt seid?“ will Latisha wissen.
„Um Gottes willen, nein!“
Allerdings muss ich zugeben, dass ganz kurz Buckleys Gesicht vor meinem geistigen Auge auftaucht.
„Wird Will sich mit anderen treffen?“
„Nein!“
„Bist du dir da sicher?“
„Ja! Was soll denn das?“
Latisha verstummt, aber ich sehe den Blick, den sie den anderen zuwirft. Wir bleiben vor einer roten Ampel stehen, und ich kneife die Augen zusammen. „Warum? Glaubst du, er wird mir nicht treu bleiben?“
„Zeig mir einen einzigen treuen Mann, und ich schwöre, er ist ein Eunuch“, trompetet die dreifach geschiedene Yvonne heraus.
„Das ist doch lächerlich“, sage ich. „Nicht alle Männer betrügen. Mein Vater hat meine Mutter nie
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