Apartment in Manhattan
sagt Sara, „ist, warum er das überhaupt tut. Er hat angeblich eine neue Freundin – mindestens eine –, und er hat Mary Beth gesagt, dass er sie nicht mehr liebt. Also, warum macht er ihr immer wieder Hoffnung?“
„Weil er es für sein Ego braucht, dass sie ihn so anbetet. Er steht drauf, dass sie ihn so sehr liebt, und dass sie immer da sein wird, egal, was er tut.“ Mich schaudert. „Wenn er mich auch nur einmal dumm anschaut, werde ich ihn von der Tanzfläche ziehen und rauswerfen.“
Aber Vinnie schaut überhaupt nicht in meine Richtung. Er geht.
Und nachdem er fort ist, fällt Mary Beth in sich zusammen.
Ich würde ihr so gerne Verstand einprügeln, doch die Gelegenheit ergibt sich einfach nicht. Wir müssen für so viele Familienfotos posieren, dass sie für ein Dutzend Alben ausreichen werden, und später verpacken wir den übrig gebliebenen Kuchen in kleine Kartons, auf denen ebenfalls die Namen meiner Eltern und das Datum ihrer Hochzeit gedruckt sind, und geben jedem Gast einen davon mit nach Hause.
Irgendwann ist nur noch unsere Familie übrig, Nino hat einen verspäteten Zuckerguss-Zusammenbruch, liegt brüllend und um sich tretend auf dem Boden, und mein Bruder Frankie hilft Mary Beth dabei, ihn und Vince Junior ins Auto zu zerren.
Später bin ich im Haus meiner Eltern, die verzweifelt sind, weil ihnen niemand verraten hat, dass ich komme, und sie kein Bett für mich gerichtet haben.
„Ma, das ist gar kein Problem“, sage ich, als sie herumfuhrwerkt, Tücher von Möbeln zieht und irgendwelche Sachen in den Schrank räumt. Offenbar benutzen sie mein Zimmer als Abstellkammer für alles, was sonst nirgends hinpasst – dicke Pullis und Zeitungsausschnitte und Werbepost und Spielzeug der Enkel.
Ich weiß ja, dass mir das nichts ausmachen sollte – immerhin ist es ihr Haus, und ich lebe nicht mehr hier –, aber ich kann nichts dagegen tun, dass ich es ihnen übel nehme.
Habe ich denn wirklich erwartet, dass sie mein Zimmer unberührt lassen und eine Art Schrein daraus machen?
Ja, offenbar.
„Wie lange bleibst du?“ fragt meine Mutter, als sie ziemlich verschlissenes, blass geblümtes Bettzeug aus der obersten Schublade meines Schranks zieht, wo ich früher meine weißen Baumwollunterhosen und die kräftigen BHs und das Geld von meinen Babysitter-Jobs aufbewahrt habe und, ganz im hintersten Winkel, meine Zigaretten und eine Ausgabe von „Die sinnliche Frau“.
„Ich bleibe bis Montag“, sage ich meiner Mutter.
„Montag!“ Sie hält mitten in ihrer Bewegung, das uralte Bettlaken über die Matratze zu zerren, inne. „Aber das ist ja schon übermorgen.“
„Ich weiß. Ich muss am Dienstag arbeiten.“
„Kannst du nicht ein paar Tage Urlaub nehmen?“
Ich schüttle den Kopf und helfe ihr mit dem Laken. „Ich habe mir noch keinen Urlaub verdient.“
Sie sieht entsetzt aus. „Was musst du denn tun, um Urlaub zu verdienen?“
„Nichts, Ma, nur sechs Monate dort beschäftigt sein. Was ich noch nicht bin.“ Ich klemme eine Ecke des Spannbettlakens unter die Matratze, und die gegenüberliegende Seite rutscht wieder raus.
„Nun, wissen deine Chefs, dass deine Familie fünfhundert Meilen entfernt lebt?“ Sie zieht die Ecke des Leintuchs wieder über die Matratze.
Jetzt rutscht mein Ende wieder ab. „Ma, das ist Firmenpolitik.“
„Was für eine Firma ist das denn?“
„Ich habe dir doch gesagt, es ist eine Werbe…“
„Nein, ich meine, welche Firma hält ein junges Mädchen davon ab, seine Eltern zu sehen?“
Okay. Jetzt reicht es mir.
Wegen ihr und wegen des verdammten Spannbettlakens.
Aber bevor ich etwas sagen kann, fährt sie fort: „Und was für ein Mann lässt seine Frau monatelang alleine, nur damit er auf einer Bühne singen und tanzen kann?“
Aha, jetzt ist es soweit.
Sie hat Will nie gemocht.
So vieles spricht gegen ihn:
1. Er ist nicht aus Brookside.
2. Er ist nicht in Brookside geblieben, als er hierher zog.
3. Er sieht anders aus, benimmt sich anders und klingt anders als jeder in Brookside.
4. Und er hat mich aus Brookside herausgeholt …
So jedenfalls stellen sie sich das vor. Sie können sich nicht vorstellen, dass ich freiwillig gegangen bin.
„Ma, Will ist Schauspieler. Schauspieler stehen auf der Bühne. Und die Tatsache, dass er mich den Sommer über allein lässt, hat nichts mit unserer Beziehung zu tun.“
Sie schweigt. Und sie gibt es auf, das Bettlaken über die Matratze zu ziehen, sie lässt eine Ecke einfach locker und
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