Apartment in Manhattan
Streiten?
Nein.
Ich kann nur zustimmen.
Und auflegen.
Ich schaue noch einmal in den Spiegel und erwarte halb, dass ich wieder mein altes, fettes, unsicheres Ich erblicke.
Aber Tatsache ist, ich sehe noch immer gut aus. Besser denn je, um genau zu sein.
Doch dank Will bin ich nicht annähernd so glücklich darüber, wie noch vor ein paar Minuten. Zur Hölle mit ihm.
Ich wollte eigentlich zu dieser Hochzeit gehen und Spaß mit Buckley haben, der überraschend schnell zugesagt hat, als ich ihn fragte. Das habe ich übrigens nur getan, weil ich doch auf keinen Fall alleine auf einem Fest auftauchen kann, bei dem ich mich bereits mit Begleitung angemeldet habe. Ich kenne das Catering-Geschäft inzwischen gut genug, um zu wissen, dass Brenda und Paulie für Raphaels Essen trotzdem zahlen müssen.
Wie auch immer, Buckley sagte: „Gerne, klingt so, als ob es nett wird.“
Und ich habe mich darauf gefreut.
Bis jetzt.
Jetzt möchte ich eigentlich nur noch zu Hause bleiben und Trübsal blasen.
Aber Brenda läuft in etwas mehr als einer Stunde den Gang in der Kirche entlang, und ich muss nun mal einen Zahn zulegen, sonst wird sie mir niemals vergeben.
Ich rase zum Port Authority, wo Buckley bereits wartet. Ich brauche einen Moment, um ihn zu erkennen, weil er einen Anzug trägt. Irgendwie bin ich darüber erstaunt, was ich aber nicht sein sollte. Immerhin gehen wir auf eine Hochzeit. Ich schätze, in meiner Verzweiflung habe ich das fast vergessen.
Jetzt aber schiebe ich die Gedanken an Will – und Zoe und Esme – vehement zur Seite.
„Du siehst großartig aus“, sagt Buckley.
„Du ebenfalls“, gebe ich zurück.
„Wirklich? Ich bin nämlich schweißgebadet, nur vom Weg hierher. Ich konnte kein Taxi bekommen.“
„Ich aber, und es hatte keine Klimaanlage. Der Fahrer war ebenfalls schweißüberströmt.“
„Igitt.“ Er lehnt sich nach vorne und schnüffelt. „Keine Angst, der Geruch haftet nicht an dir. Du duftest nach
Honeysuckle
.“
„Wirklich?“ Ich
trage
Honeysuckle. „Ich kann nicht glauben, dass du weißt, wie das riecht.“
Er zuckt mit den Schultern. „Meine Mutter benutzt Honeysuckle als Badezimmer-Spray.“
Oh.
Wir nehmen den Bus, um auf die andere Seite des Flusses zu kommen. Ich versuche, mich auf das Gespräch mit Buckley zu konzentrieren, als wir durch den Lincoln Tunnel fahren. Aber ich beginne darüber nachzudenken, was auf der Busfahrt von Brookside nach New York geschehen ist, und mein Herz klopft schon wieder wild.
Buckley scheint das nicht zu merken. Er erzählt mir von der Hochzeit seiner Schwester – irgendwas darüber, dass ein Musiker einen Tag zuvor eine Lebensmittelvergiftung bekam, so dass sein Schwager einspringen musste, der allerdings nur die Texte von drei Liedern kannte.
Der Bus scheint durch den Tunnel zu kriechen, und das, obwohl kaum Verkehr herrscht. Ich betrachte die gekachelten Wände und zähle die Lampen, an denen wir vorbeikommen.
„Geht’s dir nicht gut?“
Ich versuche, ruhig zu atmen, aber das kann ich nicht. Meine Brust ist wieder wie zugeschnürt.
„Tracey?“
Ich sehe Buckley an.
Er sieht mich an.
„Geht’s dir nicht gut?“ wiederholt er.
„Ich weiß nicht.“ Ich schlucke, und der Speichel scheint in meinem Hals festzusitzen. Warum kann ich nicht schlucken? Ich versuche es erneut. Es funktioniert nicht. Ich will es zu sehr. Ich muss an etwas anderes denken.
Aber das gelingt mir nicht.
„Was ist denn los?“
„Ich weiß nicht“, sage ich und höre die Angst in meiner Stimme.
Angst.
„Ich glaube, ich habe eine Panikattacke“, erkläre ich Buckley.
Er nimmt meine Hand und drückt sie. „Ist in Ordnung. Es ist alles in Ordnung.“
„Ich weiß nicht …“ Ich blicke in sein Gesicht. Dann schaue ich aus dem Fenster, auf die Kacheln und die Lichter der anderen Autos.
„Es ist gut, Tracey. Sag mir, was du denkst.“
„Ich habe das Gefühl, dass gleich etwas Schreckliches passiert.“
„Zum Beispiel?“
„Ich weiß nicht. Ich denke, ich muss …“ Ich sehe ihn wieder an. Sein Gesicht ist so freundlich, und ich will es ihm ja erzählen, aber er denkt dann bestimmt, ich bin verrückt.
Ich bin nicht verrückt.
Mentale Notiz: Hör auf damit!
„Du denkst, du musst … was?“
„Sterben“, sage ich mit dünner, abgeschnürter Stimme. „Ich habe das Gefühl, ich werde sterben. Oder so.“
„Du wirst nicht sterben.“
„Ich weiß.“ Ich atme zitternd aus. „Aber ich kann meinen Verstand nicht dazu bringen,
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