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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Kaugummiduft nie gegeben. Vielleicht verhielt es sich jetzt ebenso. Kasis Arm glühte, Timi konnte dessen Wärme spüren. Und deshalb auch wieder riechen. Es stank, aber wenigstens gab es jetzt etwas zu riechen, konnte er durch die Nase atmen. Die geruchlosen Stunden mit verstopfter Nase, offenem Mund und rissiger Zunge hatte Timi als einen Vorgeschmack des Todes empfunden. Zuerst starb die Nase, danach Zunge und Hals und schließlich hörte dann das Herz auf zu schlagen. Wenn man Glück hatte, denn Timi vermutete insgeheim, dass dieses Sterben noch viel langsamer gehen würde und nicht vom Hals gleich auf das Herz übersprang, sondern vorher erst noch eine Abschiedsrunde durch den Körper drehte und sich von einem Organ nach dem anderen verabschiedete, sozusagen mit Handschlag, einem Handschlag, der Magen, Bein und Arm abschaltete. Für immer. Und erst ganz am Schluss kam der Abschied von Herz und Kopf. Aber das Wasser hatte Nase und Mund befreit und inzwischen fühlte sich beides schon wieder richtig normal an, gesund. Also starben sie noch nicht.
    Wie aber ging es Max? Alex hatte fast ganz allein das Seil drei Mal aus dem Brunnen gezogen, Timi hatte ihm zwar dabei geholfen, aber bestimmt hätte Alex es auch ohne ihn geschafft. Sie hatten Wasser geschöpft und Timis Gedanken wanderten dabei immer wieder zu seinem Bruder. Jetzt versuchte er sich vorzustellen, was Max da hinten wohl gerade tat. Hatte er Durst? Blöde Frage, natürlich hatte Max Durst! Starb er schon? Konnte er riechen? Die Tatsache, dass er, Timi, trinken und das Sterben verscheuchen durfte, Max aber nicht, verbitterte den eigentlich süßen Geschmack des Wassers. Ein schlechtes Gewissen? Timi nickte. Ja, ein schlechtes Gewissen. Er durfte trinken, Max nicht.
    » Alex?«, Timi flüsterte, Kasis Atem hörte sich an als ob er schliefe. »Alex?«
    » Was ist?«
    Timi drehte seine Flasche in den Händen und sah schließlich auf. »Darf ich Max etwas von meinem Wasser bringen?« Timi sprach so leise, dass er, als Alex nicht sofort ein NEIN! schrie, schon vermutete, dass Alex ihn gar nicht verstanden hatte. Schon wollte er seine Frage wiederholen, da kam eine Antwort, eine unvermutete Antwort.
    » Hab auch schon dran gedacht«, sagte Alex.
    » Ich auch.« Kasi schlief nicht?
    » Du?« Timi hätte alles vermutet und diese Vermutungen, die absolut nichts mit Hilfe oder Verzeihen zu tun hatten, Kasi noch nicht einmal übel genommen.
    » Ja.« Kasi hörte sich müde an, und krank. »Ich finde, du solltest ihm etwas Wasser bringen.«
    » Echt? Ich dachte, du würdest ihn am liebsten umbringen oder so was.«
    » Würde ich auch«, sagte Kasi, während er sich Wasser über Schulter und Verband träufelte. »Aber sich etwas zu wünschen und das dann auch zu verwirklichen, das sind halt zwei Paar Schuhe.« Ehe Timi fragen konnte, was das alles denn mit Schuhen zu tun hatte, ergriff Alex das Wort.
    » Du hast recht. Wenn wir ihn einfach vergessen und da hinten verdursten lassen, sind wir auch nicht besser als er. Und …« Alex dachte auch noch an die peinliche Situation von vorhin. Er hatte keine Ahnung wie ihre Chancen standen, dies hier lebend zu überstehen, aber sollten sie sich doch aus eigener Kraft befreien können oder Leni petzen und sie damit retten, wäre es wahrscheinlich nicht schlecht, wenn Max in ihrer Schuld stünde. Der Gedanke, dass Max seinen Kniefall vor dem pinkelnden Kasi vielleicht doch gesehen hatte, nagte in seinem Kopf wie ein Schwelbrand in einem alten Balken. Und irgendwann fing dieser Balken richtig an zu qualmen, Flammen schlugen aus ihm hervor und jeder konnte es sehen. Und genau so würde Max – es sei denn, etwas hinderte ihn daran – da oben über das Gesehene berichten!
    » Was und ?«
    » Und, na ja, vielleicht, wenn Kasi nix dagegen hat, kommt Max mit hierher und hilft uns«, schob Alex schnell den zweitwichtigsten Grund nach vorn, einen Grund, den die Kleinen wenigstens verstehen konnten. »Wär’ das okay für dich, wenn Max uns hilft?«
    Timi hielt die Luft an, jetzt hing alles von Kasi ab. Bitte, sag ja. Brüder gehören zusammen. Immer. Kasimir aber konnte nicht einfach zustimmen. Er hatte beinahe vergessen, dass es diesen Max überhaupt noch gab, hatte ihn verdrängt und dabei nichts vermisst. Er wusste aber auch, dass man der Realität nicht davonlaufen konnte, schon gar nicht in einer so winzigen Welt wie dieser hier. Es gab einen Max. Was wäre das Beste? Wenn er mit anpacken würde , beantworte er sich diese

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