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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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sie befanden sich weder auf der Schultoilette noch beim Kinderarzt, trotzdem starrte Kasimir auf den Stoffstreifen, als sei dieser der Grund allen Übels.
    » Auf was wartest du?« Alex hielt Kasi mit beiden Händen den künftigen Verband hin. »Pinkel drauf.«
    » Aber, aber es ist doch seine Hose.«
    Alex’ Augenbrauen wanderten nach oben. »Rufus’?« Nicken. »Ich glaub, der braucht sie erst mal nicht mehr. Auf jeden Fall nicht so dringend wie du.« Alex kniete neben Kasi und der zog endlich seine Hose herunter – mit der linken Hand. Die Rechte hielt er angewinkelt vor der Brust. Sollten ihn in letzter Sekunde doch noch Zweifel über die Richtigkeit dieses Augenblicks befallen, hätte er nur auf diesen rechten Arm hören müssen, um diese Zweifel zu vertreiben.
    » Aber du musst weggucken!« Ein unnötiger Befehl, denn Alex sah auch so schon zur Seite, er verspürte keine große Lust, dem Mädchen – dabei noch in Augenhöhe mit seinem winzigen Ding – beim Wasserlassen zuzusehen. Auch ohne hinzusehen haftete dem Ganzen hier schon etwas sehr, sehr Peinliches an, jedenfalls für Alex. Sollten sie das hier heil überstehen, würde Kasimir ihm versprechen müssen, darüber nie und nimmer auch nur ein einziges Wort zu verlieren. Wenn davon etwas nach außen drang und die anderen aus seiner Klasse dies erfuhren, dann gnade ihm Gott. Selbst in seiner neuen Klasse, in der er ab September der Älteste sein würde, dürfte ihn keiner mehr ernst nehmen, geschweige denn Respekt vor ihm zeigen. Alexander, der große Ritter, beugte Knie und Haupt vor Königin Kasi. Zum Zeichen seiner Niederlage breitete er ein Leichentuch vor deren Pipimann aus und sie wiederum pinkelte darauf – ihr Zeichen, dass sie Ritter Alex’ Unterwerfung annahm.
    Alex konnte Kasi riechen, lange bevor der Stoffstreifen dessen Urin auffing. Alex versuchte an etwas anderes zu denken, während dieser Stoff sein Gewicht verdoppelte. Max kam ihm in den Sinn, der in diesem Augenblick mutterseelenallein zwei Räume weiter ziemlichen Durst haben musste, ganz abgesehen von dessen Kopfschmerzen. Oder stand Max etwa da hinten in diesem schwarzen Loch, welches in den Fässerraum führte? Aus diesem Schatten heraus musste man einen wunderbaren Blick auf die urinierende Königin und ihren Sklaven haben, einen Sklaven, über dessen Hände gerade ein paar warme gelbe Tropfen perlten.
    » Hast du es bald?«
    Kasi quetschte die letzten Tropfen heraus und ließ den Gummibund seiner Hose zurückschnellen.
    » Fertig.«
    Bewegte sich da hinten etwas? Hatte Max das hier gesehen?
    Alex wollte Rufus’ uringetränktes Hosenbein so schnell wie möglich loswerden, sich die Hände waschen, etwas trinken und weiterarbeiten, hier raus!
    » Streck deinen Arm zur Seite«, sagte er zu Kasi und stand auf. Aber dies war leichter gesagt als getan. Kasi versuchte, Alex’ Aufforderung zu befolgen, Tränen liefen ihm übers Gesicht, er biss sich auf die Lippe. Erst als Alex Timi dazurief und der Kasis Arm anhob, konnte Alex den Verband anlegen. Er wickelte den schwarzen Stoffstreifen zweimal um den geschwollenen Oberarm. »Und aus dem Rest machen wir dir eine Schlinge.«

    Eine halbe Stunde später saßen die drei Kinder im Dunkeln, jeder seine gefüllte Wasserflasche im Schoß. Timi saß rechts von Kasi, ganz nah an dessen verletztem Arm und er konnte diesen riechen und wunderte sich darüber. Aber fragen wollte er die Älteren dazu nicht, wahrscheinlich gab es einen ganz einfachen Grund, warum er, seit sie wieder etwas zu trinken hatten, plötzlich auch wieder riechen konnte. Vielleicht hatte es ja zuvor einfach keine Gerüche hier unten gegeben – eine plausible Möglichkeit wie Timi fand. Tante Franzi – die mit dem Super-Jesus – hatte es ihm einmal erklärt, das mit Wärme und Sonne und Gerüchen und so. Bei ihr hatte die Erklärung fast einen ganzen Nachmittag beansprucht, gespickt mit reichlich Hinweisen auf Gott und dessen Gnade und allem, was dazugehörte. Und natürlich mit kleineren und größeren Anekdoten aus ihrem unvorstellbar langen Leben. Aber sie hatte ihm etwas gezeigt, an das er sich jetzt, Kasis Uringeruch in der Nase, erinnerte: Dinge rochen nur, wenn es warm genug war. Tante Franzi hatte mit ihm ein paar Blätter Pfefferminze aus dem Garten geholt, ihn riechen lassen (Riecht toll, Tante.) und anschließend diese Blätter in die Gefriertruhe gelegt. Zwei Stunden später rochen diese gefrorenen Blättchen nach gar nichts mehr, als hätte es ihren

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