Apfeldiebe
Licht zu legen und in diesem Licht zu leben. Leben.
» Gebt mir mal irgend so ein Lanzenstück, ich brauch einen Hebel.« Mit seinen Fingern kam Alex einfach nicht mehr weiter. Er hatte einen Spalt geschaffen, durch den die Luft wie durch eine Düse nach draußen jagte. Beide Handflächen passten hinein, Alex konnte diesen Felsbrocken von der Größe eines Wassereimers packen, auch ein paar Zentimeter hin und her bewegen, aber er konnte ihn nicht entscheidend aus dem umgebenden Material herauslösen. Er benötigte einen Hebel. Kasi suchte ein unterarmlanges Stück heraus und warf es Max auf die Halde, der gab es an Alex weiter. »Und leuchte mal richtig hier herein.«
Max drehte die neben ihm liegende Lampe in die gewünschte Richtung und der Rest des Raumes verschwand im Dunkel, während Alex mit dem Lanzenhebel gegen seinen Schatten und den die nahe Freiheit blockierenden Felsbrocken ankämpfte. Er steckte die verrostete Spitze in den Spalt, packte das Holz, betete, dass es gelingen möge und begann mit beiden Händen zu drücken. Die zurückliegenden Jahrhunderte aber behielten ihre Kraft für sich und ließen die Kinder im Stich, schon beim zweiten Drücken brach das Holz und zerbröselte in Alex’ Händen.
» Ach, Scheiße!« Aber Alex wollte nicht aufgeben, nicht jetzt, nicht so kurz vor dem Ziel. Einen Hebel! Er brauchte einen Hebel! Und sie besaßen auch einen! »Max?«
» Was?«
» Gebt mir mal eine von den leeren Taschenlampen hoch. Am besten deine, die ist doch am längsten, oder?«
» Wozu?«
» Komm, jetzt mach nicht lang. Die Lanze hier ist abgebrochen und ich brauch was anderes!«
Obwohl Max nicht verstand, wie aus einer Stabtaschenlampe ein Hebel werden konnte, ließ er Timi das wertlose Ding heraufwerfen und gab sie weiter an Alex. Der schlug sie mehrere Male in den vorbereiteten Spalt, bis er den Griff der Lampe in diesen hineinquetschen konnte. Wieder packte er sie mit beiden Händen und wieder betete er. Und diesmal hielt der Hebel. Der Felsbrocken ächzte, stöhnte in seinem Bett, wollte nicht geweckt werden, wollte sich weder bewegen noch seinen Platz verlassen. Er wollte nicht, Alex aber schon. Wieder und wieder drückte er, zerrte, Staub und kleine Steine rieselten auf ihn nieder. Alex wusste, der Berg konnte jeden Augenblick über ihm zusammenstürzen und ihn wie den schwarzen Ritter bei lebendigem Leibe verschütten. Aber gab es eine Alternative? Natürlich nicht. Der Aufzug steckte fest, die Rolltreppe klemmte, also musste dieser verdammte Stein da weg, ob er nun wollte oder nicht. Zeit zum Aufstehen.
Alex warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Lampe, er rutschte ab und schlug sich am Fels die Knöchel beider Hände wund, den Kampf aber gab er deswegen noch lange nicht auf. Abwechselnd scharrte er aus den lockeren Rändern Dreck nach hinten zu Max und rüttelte an dem Stein und plötzlich gab dieser seinen Widerstand auf.
» Ja!« Alex bekam das Monster mit beiden Händen zu fassen, zog es zu sich heran, rutschte zurück und zerrte weiter, bis beide außerhalb des von den Kindern geschaffenen Ganges erschienen. Gemeinsam schoben Alex und Max den Felsbrocken bis an die Kante.
» Achtung!« Kasi und Timi versteckten sich im Durchgang zum Fässerraum. Max gab dem Fels den entscheidenden und wohlverdienten Tritt, dieser verlor das Gleichgewicht und polterte nach unten, wo er an Rufus’ Grab seine letzte Ruhestatt fand.
» Ist der Gang jetzt frei? Können wir raus?« Timi konnte es kaum noch erwarten. Er kletterte zu seinem Bruder und wollte schon an den beiden Großen vorbei in die Freiheit flüchten, als Alex ihn gerade noch an der Hose zu fassen bekam und zurückzog.
» Nichts da. Zuerst ich.« Sichtlich enttäuscht trat Timi zurück. Alex nahm einen Schluck Wasser, spuckte in die Hände.
» Also dann. Mal sehen, was hinter dem Stein ist.« Er kurbelte die einschlafende Lampe munter und krabbelte in seinen Gang. Als er aber die Stelle ausleuchtete, an der bis eben noch dieser Felsbrocken gelegen und sich gewehrt hatte, prallten all seine Hoffnungen und Wünsche gegen die dort befindliche massive Felsformation. Vor Alex lag eine Wand aus Stein, unterbrochen nur von einem winzigen Spalt, durch welchen die Luft nach draußen zog. Selbst wenn die Kinder eine Brechstange besessen hätten, hier kämen sie auch damit nicht weiter – zu schmal dieser Spalt und zu massiv das Gestein, welches er trennte. Alex’ Finger fuhren über diese raue Fläche und er erkannte, dass er sich
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