Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
Vom Netzwerk:
Pfarrer und Religionslehrer erzählten, aber stimmte das auch? Wo befand sich denn diese Seele jetzt und wie sollte sie aus diesem Berg herauskommen? Und wieso hatte noch niemand diesen Himmel entdeckt? Vom Mond aus musste er doch zu sehen sein oder von der Raumstation. Aber kein Mensch der Welt hatte diesen Ort jemals gesehen! Also musste er ziemlich weit weg liegen, vermutete Timi, so weit weg, dass man ihn noch nicht einmal mit dem besten Fernglas entdecken konnte. Wie sollte dann aber eine Seele bis dahin fliegen können? Erfror sie nicht unterwegs oder erstickte sie?
    » Ganz sicher. Meine Eltern haben es mir erzählt und meine Eltern lügen nicht«, sagte Kasi. »Können wir die Luft sehen?« Timi schüttelte den Kopf, dann, als Kasi nichts mehr sagte, fiel ihm ein, dass dieser ja ebenfalls nichts sehen konnte.
    » Nein.«
    » Aber es gibt sie doch. Und wir sehen auch nicht den Mittelpunkt der Erde und es gibt ihn.«
    » Das ist ja wohl alles ganz was anderes«, sagte Max.
    » Und wieso? Das sind alles Sachen, die es gibt, wir aber nicht sehen. Wie den lieben Gott und den Himmel und die Hölle.« Alles ganz einfach.
    » Jetzt fang noch mit der Hölle an! Willst du Timi Angst machen?!«
    » Nein. Er hat ja auch nichts Böses getan«, sagte Kasi und wusste genau, was Max jetzt dachte. »Aber wenn es einen Himmel gibt, für die Guten, dann müssen die anderen ja auch irgendwohin. Mama sagt, es gibt eine Hölle.«
    » Und wenn schon, Kinder stecken die da bestimmt nicht hin«, sagte Max und obwohl ihn dieses ganze Gott- und Himmel- und Höllegerede eher aufregte denn interessierte, blieb Kasimirs letzter Satz zwischen den Ohren des Jungen hängen und bastelte da an einem Echo. Wenn es nun doch eine Hölle gab? Und wenn sie da auch Kinder annahmen? Wie lange konnte man sich eigentlich noch Kind nennen? Wer entschied das oder was? Die eigenen Taten? Nein, Max schüttelte den Kopf, er war noch immer ein Kind! Erst wenn man den Mopedführerschein machen durfte, wurde man ein kleines bisschen erwachsen, mit einem eigenen Ausweis noch etwas mehr und so ganz erwachsen erst am achtzehnten Geburtstag. Und selbst danach galt – soweit er wusste – noch nicht das Gleiche wie für die alten Erwachsenen, vor allem, wenn man etwas ausgefressen hatte. Wenn also die Menschen schon so rücksichtsvoll waren, konnte Gott nicht einfach einen Dreizehnjährigen in die Hölle werfen, nur weil der einmal zugebissen hatte!
    Außerdem existierte kein Gott! Man starb und danach gab es nichts mehr, ganz einfach. Tot eben.

    Einer nach dem anderen schliefen die Jungen ein, Kasi als Erster, gefolgt von Alex und selbst Timi weinte sich vor seinem Bruder in den Schlaf, obwohl die Sonne da draußen noch lange nicht ans Zubettgehen dachte. Max lag wach, weil Timis Schultern bebten und ihn vom Schlaf abhielten. Und weil ihm diese Sache mit der Hölle einfach nicht mehr aus dem Kopf wollte. Je mehr er sich auf etwas anderes zu konzentrieren versuchte, desto deutlicher sah er einen Gehörnten vor sich, brennende Felswände und dazwischen überall Kessel, in denen Kinder hockten, Kinder, die andere Kinder gebissen hatten, manchen steckten noch Fleischfasern zwischen den Milchzähnen. Eine Kinderhölle oder wenigstens ein kinderfreundlicher Nebenraum der Hölle. Kleine Kessel und kleine Streckbänke (Streckbänke gab es, der Pfarrer hatte es im Kommunionunterricht selbst erzählt! Auch, dass man nackt daraufgebunden wurde.), kleine Schellen für die Hälse und kleine Lagerfeuer, über denen kleine Teufel Kinder an kleinen Spießen brieten.
    Als Max endlich in einen kranken Schlaf fiel, hatte sich Timis Atem längst beruhigt, ging ebenso gleichmäßig wie der der anderen und im Gegensatz zu seinem großen Bruder träumte Timi einen schönen Traum, einen Traum, welcher die Gesichtszüge des Jungen entspannte, ihm sogar ein Lächeln auf die Lippen legte. Max hingegen befand sich auf geradem Wege in die Hölle, an einer Weggabelung, an der zwei alte Männer standen, einer der beiden ganz in weiß gekleidet, mit weißem Bart und einem goldenen Stecken in der Hand und großen braunen Augen. Auf seiner Schulter hockte ein Kätzchen und dieses Kätzchen – Max erkannte es auf den ersten Blick – trug noch immer Max’ Schnürsenkel um den Hals. Ein richtiger Junge hat immer einen Schnürsenkel in der Tasche und ein richtiges Kätzchen einen solchen um den Hals. Der weiße Mann sagte kein Wort, schien nachzudenken und das Kätzchen schnurrte ihm dazu ihre

Weitere Kostenlose Bücher