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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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es gut gehabt hatte in seinen letzten Stunden und dass Kasimir sie liebte. Und er wusste auch schon, welche Nachricht er ihnen hinterlassen wollte: keinen Text, keinen Abschiedsbrief, sondern ein Bild, DAS Bild. Ein paar Striche nur, die Mama und Papa sofort identifizieren würden, Striche, die ihnen sagen konnten, dass mit ihrem Kasi bis zuletzt alles in Ordnung war.
    Kasi sank auf die Knie und tastete nach seiner Lampe. Er fand sie neben Alex’ Kopf, kroch mit ihr zurück zur Wand und schaltete das Gerät ein. Er musste einige Sekunden kurbeln, dann aber sah Kasi wie am Ende einer Kinovorführung die Wand aus der Dunkelheit auftauchen und er wusste, dass er das Richtige tat. Wenn er sein letztes bisschen Kraft für dieses Bild opferte, würden das Alex und Timi und vor allem Max wahrscheinlich nicht verstehen, aber seine Eltern würden es verstehen und hoffentlich auch die Eltern der anderen.
    Kasi stocherte im umherliegenden Schutt nach einem passenden Stein, suchte und probierte nacheinander fünf verschiedene Exemplare aus und verwarf jedes von ihnen. Mit diesen Steinen konnte er den hellen Putz der Wand zwar aufritzen, aber er konnte nie und nimmer auf diese Weise sein Bild malen. Während der Junge noch überlegte, fiel sein Blick auf die zwischen den Nischen rußgeschwärzte Wand. Und auf die unter diesen Rußflecken angebrachten Halterungen! Kasi stand auf, ging zur ersten Halterung und griff hinein. Leer. Ebenso die zweite und die dritte, in der vierten Halterung aber fand er, was er suchte: den kaum fingerlangen verkohlten Rest einer vor Hunderten von Jahren abgebrannten Fackel. Er nahm sie, probierte sie aus und freute sich wie seit Tagen nicht mehr.
    Kasimir legte die Lampe so auf einen Stein, dass sie seine Leinwand erhellte, gleichzeitig aber keinen der Kameraden blendete. Timi und Alex drehten ihm den Rücken zu, Max hingegen, dessen Traum immer bedrohlicher zu werden schien, durfte ziemlich bald erwachen, so vermutete Kasi, er musste sich also beeilen.
    Kasi kniete sich hin und zeichnete ohne lange zu überlegen eine flache, von rechts kommende Hand und in diese Hand legte er eine Kugel. Kasi schielte zu Max – dieser hatte noch nichts bemerkt. Aber wenn er erwachte, wusste Kasimir, würde ihm Max, egal was er vom Meisterwerk da an der Wand auch hielt, Fackelrest und Lampe wegnehmen und in den Hintern treten. Er musste sich beeilen und er beeilte sich und legte eine zweite Hand, diesmal von links kommend, auf seine Kugel. In dieser Kugel stand nach wenigen Minuten ein Haus mit rauchendem Schornstein, jede einzelne der aufsteigenden Wolken ein Herz – zuerst winzig, von Wolkenherz zu Wolkenherz aber immer größer. Neben das Haus – sein Haus – stellte er eine Frau im Rock, einen Mann und dazwischen ein Kind. Es folgte die obligate Blume, ein Vogel und eine unter der oberen Hand hervorstrahlende Sonne, wie er sie immer malte: mit lachendem Gesicht und einem leichten Schielen.
    Kasi trat zurück und betrachtete sein Werk. Ja, das würden sie verstehen und sie würden hoffentlich ein klein wenig beruhigter sein, denn dieses Bild – es hing in verschiedenen Ausführungen am Kühlschrank, an seiner Zimmertür und (gerahmt!) im Flur – hatte er immer nur in glücklichen Momenten gemalt, das erste Mal im Kommunionunterricht, als er wusste, dass er nun bald zu den Großen gehören würde und wie diese am Abendmahl teilnehmen durfte.
    » Nein! Weg! Weg!« Max saß plötzlich aufrecht, ein Licht blendete ihn! Sie wollten ihn verbrennen, seine Augen auslöschen, sie …
    » Max!« Timi fuhr in die Höhe, Alex erwachte und während der Sekunden, in denen Max noch, gefangen zwischen Traum und Hier, schrie und die Hände vors Gesicht schlug, registrierte keines der Kinder Kasi, das Bild und die brennende Lampe. Max aber erwachte und mit diesem Erwachen ließ er sich von seinem Bruder beruhigen. Alex drehte sich zu Kasimir um, wollte etwas sagen, da fiel sein Blick auf das Bild an der Wand. Mit offenem Mund betrachtete er es. Plötzlich hatte er Tränen in den Augen, er schluckte.
    » Dir hat es gefallen da oben, ja? Ich meine, bei deinen Eltern.« Kasimir nickte.
    » Ja«, sagte er, »bei Mama und Papa, das, das«, jetzt verschwamm auch für ihn das Bild hinter einem nassen Schleier, »das ist der schönste Platz auf der ganzen Welt. War der schönste Platz.«

32 Kein einziges verdammtes Wort!

    » Was soll denn der Scheiß?« Max stolperte aus seiner Kinderhölle, Kasis Bild half ihm dabei. Max starrte

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