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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Und Seile meinetwegen. Und noch mal: kein Wort!«
    » Und was soll ich sagen, wenn meine Mutter mich fragt?« Kasimir fand die Sache mit der Ruine und Alex’ Entdeckung spannend – aber deswegen lügen? Er hatte seine Eltern noch nie belogen.
    » Sag, dass wir in den Wald gehen und uns eine Hütte bauen«, schlug Max vor, aber Kasimir schüttelte den Kopf.
    » Das wäre eine Lüge.«
    Max schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Oh, du wieder. Einmal im Leben wirst du deinen Alten doch wohl eine kleine Lüge auftischen können. Das merken die doch gar nicht.« Kasi aber schüttelte den Kopf.
    » Weißt du was?« Rufus stand auf. »Sag einfach, wir spielen Forscher. Wir spielen Archäologe oder so, damit verrätst du nichts, musst aber auch nicht lügen.« Kasimir dachte kurz über den Vorschlag nach und nickte schließlich. Ja, das konnte so durchgehen. Und er musste niemanden belügen.
    » Also, dann ist alles klar?« Alex stand auf und ging zu seiner Schwester. »Ich muss jetzt das Anhängsel abliefern.« Leni sah kurz auf und schenkte Alex einen missbilligenden Blick. »Morgen früh um neun.«
    » Und das Essen nicht vergessen«, ergänzte Max.

6 Seilers Apfelbaum

    Auf dem Weg zurück ins Dorf passierten die Kinder eine Streuobstwiese. Zwei Dutzend Apfel- und Birnbäume standen in lockerem Abstand zueinander seit Urzeiten hier, so jedenfalls schien es jedem, der einmal bewusst über diese Bäume nachdachte. Kasimir liebte diese Wiese und jeden einzelnen der Bäume, egal ob gerade oder krumm, hoch oder eher breit – er liebte sie. Er liebte die raue Rinde der Bäume, die Blumen zwischen den Stämmen. Wenn ihn seine Eltern wieder einmal in der Hoffnung, dass er vielleicht doch einen Freund im Dorf finden möge, von seinem Schreibtisch und den Büchern wegholten und vor die Tür schickten, ging er normalerweise genau hierher. Im Frühjahr hingen tausend Düfte über der Wiese, so süß und schwer, dass einem davon ganz schwindlig werden konnte, übertroffen einzig vom Summen der Insekten. Wie an Ästen hängende Schneebälle kamen dem Jungen die Blütentrauben vor. Im Sommer gab es nichts Schöneres, als im Schatten eines Baumes ein Buch zu lesen und im Herbst zu beobachten, wie zuerst die Äpfel ihre Farbe veränderten, danach das Laub. Und selbst im Winter übte die Wiese auf Kasimir eine eigentümliche Anziehungskraft aus, wenn der Schnee unter den Sohlen knirschte und die Zweige und Äste der Bäume aussahen, als habe sie über Nacht jemand zugedeckt.
    Selbst der älteste Einwohner Wittlekofens konnte sich nicht erinnern, wann jemand diese Bäume gepflanzt hatte, also mussten sie so an die einhundert Jahre alt sein, schätzte Kasimir. Vielleicht schmeckten die Früchte deshalb so gut, so süß. Manchmal wagte er es, einen der im Gras liegenden Äpfel oder eine Birne aufzuheben und einzustecken, mit seinem Schatz ganz schnell nach Hause zu gehen und da, in einem Versteck, hineinzubeißen.
    » Was meinst du, Timi, sind die schon reif?« Max warf einen Blick nach oben und schluckte den in seinem Mund versammelten Speichel. Timi zuckte die Schultern, woher sollte er denn wissen, ob die Äpfel gut waren? Ihm wäre ein Baum voller Steaks oder Würste lieber. Er trottete ohne Interesse weiter, während Max stehen blieb und sich den Kopf verrenkte. Sahen lecker aus, jedenfalls wenn man Äpfel mochte.
    » Nimm doch den da.« Rufus’ Finger deutete auf eine im Gras liegende Frucht. Max stieß sie mit der Fußspitze an und drehte den Apfel herum.
    » Wurmstichig, wetten? Außerdem voller brauner Stellen.« Max sah wieder nach oben. »Die da an den Ästen sind tausendmal besser, kannste mir glauben.«
    Rufus zuckte aber nur mit den Achseln, Vater dürfte demnächst eintreffen. Er verabschiedete sich, sein Zuhause lag rechts von hier, während alle anderen noch ein paar hundert Meter gemeinsamen Weges vor sich hatten. Auch Alex warf einen Blick in die Baumkrone, ging aber im Gegensatz zu Max, Timi und Kasimir weiter und zog dabei seine Schwester am Seil wie ein Hündchen an der Leine hinter sich her. Auch für ihn hieß der Hauptgrund, die kleine Gruppe zu verlassen und nach Hause zu eilen, Vater . Aber anders als Rufus trieb Alex keine Freude an, sondern Angst. Sollte er sich auch nur zwei Minuten zum Abendessen verspäten … Auf Kopfnüsse oder ein vorzeitiges Zubettgehen ohne etwas im Bauch verspürte er keine Lust – der Zug an Lenis Leine verdoppelte sich und das Mädchen stolperte ihrem Bruder über

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