Apocalypsis 1 (DEU)
sein.
»Hast du was zu schreiben?«, fragte er Maria unvermittelt. Sie reichte ihm ein Blatt Papier und einen Stift. Peter schrieb WEARILY ELECTORS oben auf das Blatt.
»Was bedeutet das?« fragte sie.
»Keine Ahnung. Vielleicht ein Anagramm.«
Er strich es durch, schrieb WEARILYELECTORS und probierte mit Marias Hilfe nacheinander sämtliche halbwegs sinnvollen Begriffe durch, die sich aus dieser Buchstabenkombination ergaben. Peter nahm an, dass es sich um das Anagramm eines englischen Begriffs handeln musste. Möglicherweise bestand er ebenfalls aus zwei Worten. Als er das Papier fast komplett mit Worten und Gekritzel bedeckt hatte, hielt er stöhnend inne. Er dachte an Kelly, der ihm an der Boje entglitten und in die große Dunkelheit eingetaucht war. Kelly, schmutzig, ausgemergelt, misshandelt, ein Schatten des Kelly, den er vor langer Zeit in Misrian kennengelernt hatte.
Elektrisiert richtete sich Peter auf. Er sah Kelly vor sich, wie er damals in der Jurte vor Ellen angegeben und krudes Zeug über den Schatz der Templer verbreitet hatte. Kelly hatte einen Namen genannt.
»Helena Blavatsky«, sagte er laut und versuchte, den Namen aus der Buchstabenkombination WEARILY ELECTORS zu bilden. Fehlanzeige. Aber Kelly hatte noch einen weiteren Namen genannt.
Na los, streng dich an. Erinnere dich.
Peter starrte auf die Buchstabenkombination. Dann sah er den Namen vor sich, schrieb ihn in die letzte freie Ecke und umkringelte ihn.
ALEISTER CROWLEY
» Der Aleister Crowley?«, fragte Maria.
Peter nickte. »Englischer Okkultist des frühen 20. Jahrhunderts«, referierte er. »Logengründer, Kaballist, Bergsteiger, drogensüchtiger Betrüger und Pornograph. Soweit ich weiß, hat der Mann nichts weiter hinterlassen als Schulden, Ekel, Strafanzeigen und eine hanebüchene Legende um seine eigene Person, die später dankbar von der New-Age-Bewegung aufgenommen wurde. . Es ergibt keinen Sinn. Es ergibt alles keinen Sinn!« Peter knüllte den Zettel zusammen. »Scheiße!«
Maria sah ihn mitfühlend an, strich ihm sanft über den Kopf. Eine vertraut-zärtliche Geste, die Peter überraschte.
»Die Begegnung mit Nikolas muss furchtbar für dich gewesen sein.«
Peter nickte schweigend.
»Und dieses Medaillon hat er dir auch noch abgenommen. Jetzt fangen wir wieder von vorne an.«
Peter sah sie an. »Ja, Nikolas hat das Medaillon. Aber ich habe immer noch das hier …«
Er zog etwas aus der Hosentasche und legte es in Marias Handfläche. Es war die kleine weiße SIM-Karte.
LXVII
EIN JAHR ZUVOR …
7. Juli 2010, Trastevere, Rom
W ollen Sie Papst werden, Kardinal?«
»Woher haben Sie diese Nummer?«
»Das spielt keine Rolle«, sagte der Mann, der sich als Aleister Crowley vorgestellt hatte, in tadellosem Spanisch. »Wir müssen uns treffen. In einer Stunde. Das Tre cani in Trastevere. Sie kennen das Lokal ja.«
»Ich muss gar nichts!«, raunzte Kardinal Menendez in sein privates Handy, dessen Nummer nur vier Leuten im Vatikan bekannt war. »Ich werde Sie …«
»In einer Stunde, Kardinal. Wenn Sie noch jemals Papst werden wollen.«
Die Verbindung wurde abgebrochen. Menendez legte sein Handy wütend weg und versuchte, den seltsamen Anruf zu ignorieren und sich wieder auf seinen Ansprache zum eucharistischen Kongress in Köln zu konzentrieren. Es gelang ihm jedoch nicht. Denn Menendez hatte ein feines Gespür für die Stimme der Macht. Die feinen Nuancen in Haltung und Tonfall, die einen Menschen untrüglich als Teil entweder der gehorsamen Masse oder jener kleinen Elite von Führern verrieten, zu der er sich selbst auch zählte. Die Stimme am Telefon war gewohnt gewesen, Befehle zu erteilen, die bedingungslos befolgt wurden. Eine Stimme, in der eine Bedrohung mitschwang, der sich auch jemand wie Menendez nicht entziehen konnte. Zumal, wenn diese Stimme ein unerhörtes Angebot machte.
Eine Stunde später traf der Kardinal in der kleinen, eleganten Trattoria auf der anderen Seite des Tibers ein. Das Tre Cani war wegen seiner Fischspezialitäten und seiner Diskretion ein beliebter Treffpunkt bei hohen kurialen Beamten und römischen Politikern. Der Wirt begrüßte Menendez mit einer devoten Verbeugung und führte ihn durch das vollbesetzte Lokal zu einem Tisch am Ende des Raumes, wo ihn ein kahlköpfiger Mann um die Sechzig erwartete. Er trug einen weißen Anzug und wirkte wie ein ehemaliger Soldat.
»Kardinal«, begrüßte ihn der Mann, ohne sich zu erheben, und deutete auf den freien Stuhl. Er bestellte eine
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