Apocalypsis 1 (DEU)
geht.«
»Was an sich kein Vergehen ist«, wandte Don Luigi ein.
»Natürlich nicht. Eine Geschmacklosigkeit, nichts weiter. Aber ich fand es doch verwunderlich, dass mein Privatsekretär mir von diesen Besuchen nie berichtete. Also habe ich ihn darauf angesprochen.«
»Und?«
»Monsignore Duncker hat mir umständlich erklärt, dass er auf ›informeller‹ Ebene versuche, in den konservativen Zirkeln der Kirche für meinen Reformkurs zu werben. Ich habe ihn nicht einmal ansehen müssen, um die Lüge zu erkennen. Eine Lüge, die mich, ehrlich gesagt, mehr schmerzt, als die gesamte Heuchelei der Kurie zusammen.«
»Ich verstehe«, sagte Don Luigi. »Was werden Sie tun?«
»Vorläufig nichts. Da ich Monsignore Duncker im Augenblick weder einen Vertrauensbruch noch Konspiration mit Menendez und dem Opus Dei nachweisen kann, werde ich die Sache vorläufig auf sich beruhen lassen.«
»Halten Sie das für klug, Eure Heiligkeit?«
»Ich kenne Duncker schon lange.«, sagte der Papst. »Er war immer loyal. Er ist ehrgeizig. Vielleicht ist das nur ein Moment der Verwirrung und geht vorbei.«
»Glauben Sie das wirklich, Heiliger Vater?«
Der Papst sah Don Luigi nachdenklich an.
»Haben Sie ein Auge auf Duncker. Sophia will ich damit nicht behelligen. Menendez lässt ihr ohnehin schon hinterschnüffeln, um mich zu kompromittieren.«
»Kein Problem, Eure Heiligkeit.«
»Der Kardinalstaatssekretär ist mein unerbittlichster Kritiker. Aber bislang hat er sich in der Wahl seiner Mittel immer offen und fair präsentiert.« Der Papst blickte nachdenklich über die im Dunst versunkene Ewige Stadt. Der Kopfschmerz verstärkte sich wieder. Der Papst fasste sich an die Schläfe und wandte sich wieder zu Don Luigi um. »Menendez ist skrupellos, brillant und machthungrig. Aber er ist immer noch ein Mann des Glaubens und der Kirche. Wie weit, denken Sie, würde er gehen, Don Luigi?«
LXVI
16. Mai 2011, Montpellier
A uf der Fahrt in dem gestohlenen Taxi traf Peter eine Entscheidung. Er konnte nicht einfach so aus der Welt verschwinden, verdunsten wie Nikolas verlangt hatte. Er wollte sein Leben zurück, mehr denn je. Er wollte Antworten. Und er wollte inzwischen auch noch etwas anderes. Etwas, das ihm erst in dem Verlies auf der Ile de Cuivre klar geworden war. Etwas ganz und gar Unmögliches. Aber er wollte es zumindest versuchen, und dazu musste er leben.
Leben? Du wirst sie umbringen. Du ziehst eine Kielspur des Todes hinter dir her.
Wie Haruki gesagt hatte, wurde Peter am Flughafen erwartet.
Sie stand wie verloren in dem kleinen General Aviation Terminal und trug wieder ihr Ordenshabit. Sie wirkte nervös.
Und unendlich zerbrechlich.
Aber sie lebte. Als Peter sie sah, wusste er, dass es kein Zurück mehr gab. Nicht für ihn.
Er sah ihr die Erleichterung an, als er das kleine Terminal für die Allgemeine Luftfahrt betrat. Doch er sah auch den kurzen Schrecken und die Frage in ihrem Gesicht. Die Frage, ob er es wirklich war. Peter wusste sofort Bescheid.
Sie ist Nikolas begegnet!
»Hallo, Peter«, sagte Maria leise.
»Ich habe gedacht, du wärst tot.«
»Ich auch.«
Sie wirkte plötzlich verlegen und immer noch zögerlich, als traue sie ihm nicht. Als Peter dicht an sie herantrat, zuckte sie kurz weg.
»Schschsch!« machte Peter leise. Kam noch näher, ganz dicht, umfasste ihren Kopf mit beiden Händen und küsste sie. Sie wirkte nicht einmal überrascht, sogar fast erleichtert und erwiderte den Kuss diesmal, denn an seinem Kuss erkannte sie ihn jetzt wieder. Sie öffnete ihren Mund ein wenig, bis sich ihre Zungenspitzen trafen und sie einander einatmen konnten, ganz und gar, und Begehren dahin strömte, wo kurz zuvor nur Angst gewesen war. Bis der Beamte hinter dem Schalter sich entrüstet räusperte.
»Wie kommst du hierher?«, fragte Peter, als sie sich sanft, aber bestimmt von ihm löste.
»Don Luigi hat mich angerufen. Ich hatte mich in einem Kloster versteckt. Die Pension war nicht mehr sicher.«
»Du bist Nikolas begegnet, nicht wahr?«
»Wem?«
Peter blickte sie an. »Meinem Zwillingsbruder. Jedenfalls nehme ich an, dass er mein Bruder ist. Sein Name ist Nikolas.«
Maria wich Peters Blick aus. »Ich war die ganze Zeit bei den Franziskanerinnen in der Rue Lakanal.«
»Du bist eine miserable Lügnerin, Maria.«
Sie mühte sich ein Lächeln ab. »Wir müssen los. Hast du den Pass dabei?«
Erst jetzt warf Peter einen Blick auf den Pass, den Haruki ihm gegeben hatte. Er war auf den Namen Robert Stamm
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