Apocalypsis 1 (DEU)
aufpasst. Und auf Maria. Wir tun das nur, weil wir glauben, dass wir dir damit helfen.«
»Was hat Maria euch gestern Abend gesagt?«, wollte Peter wissen.
»Sie hat von ihrer Vision berichtet. Sie sagte, dass die Jungfrau Maria ihr versichert habe, dass wir uns alle wiedersehen werden.«
»Du hast nie an sowas geglaubt, Mama!«, rief Peter.
Seine Mutter strich ihm über die Wange wie einem Kind. »In den letzten Tagen hat sich vieles verändert. Es ist nicht so sehr die Vision, die mich überzeugt hat. Es war Maria. Wir haben verstanden, dass wir wirklich in Lebensgefahr sind. Aber vor allem haben wir verstanden, dass wir dich noch mehr in Gefahr bringen, wenn wir hier bleiben. Wir tun das für dich, Peter.«
Um halb zwei rief Franz Lauren erneut auf Peters Handy an und kündigte einen Wagen an, der Peters Eltern in Kürze abholen würde.
»Der Fahrer heißt Saneaki. Er wird Ihre Eltern mit dem Nötigsten versorgen, Pässen, etwas Geld, und sie dann außer Landes bringen. Sie kennen das ja bereits, Peter.«
»Ich weiß«, sagte Peter. »Wann werde ich meine Eltern wiedersehen?«
»Sobald wie möglich. Um das Haus und den Besitz Ihrer Eltern wird man sich kümmern. Machen Sie sich keine Sorgen, Nakashima San ist ein vorzüglicher Gastgeber. Ich hatte in den letzten Wochen selbst das Vergnügen.«
»Wollen Sie mir erzählen, dass das im Grunde ein Urlaub ist?«
»Nein, Peter. Aber hören Sie mir jetzt bitte zu, ich gebe Ihnen noch einige wichtige Instruktionen, an die sich Ihre Eltern unbedingt halten müssen.«
Peter hörte Laurenz genau zu. »Eine Sache noch«, sagte er, als Laurenz das Gespräch schließlich beenden wollte. »Seth hat mich angerufen. Er hat mich ins Domhotel in Köln bestellt. In Suite 306.«
Peter konnte hören, wie Laurenz ausatmete.
»Gehen Sie da nicht hin, Peter. Das ist eine Falle. Nach unseren Informationen hält sich Seth in Rom auf.«
»Ich weiß. Ein Dr. Creutzfeldt erwartete mich dort. Ich glaube, ich kenne ihn von der Ile de Cuivre.«
»Wir schicken jemand, der das überprüft. Viel Glück, Peter.«
Eine halbe Stunde später erschien eine schwarze Lexus-Limousine vor dem Haus. Der Fahrer stellte sich als Saneaki vor und half Peters Eltern, die beiden Koffer einzuladen, die sie mitnehmen durften.
Es wurde ein kurzer Abschied. Peter wusste, dass es ein Abschied für immer war: Das Jucken an seinem Bein machte ihm klar, dass er seine Eltern nie mehr wieder sehen würde.
Und sie wissen es auch. Sie wissen es und fahren trotzdem.
Für einen Moment befiel Peter der wahnsinnige Impuls, mit in die Limousine zu steigen. Einfach mit ihnen für immer zu verschwinden. Ein Impuls so mächtig wie das Leben.
Scheiß auf Seth, Scheiß auf die Kirche, Scheiß auf die ganze Welt! Wenn du sie liebst, warum tust du’s dann nicht?
Er kannte den Grund. Solange die Träger des Lichts ihren Plan ungehindert verfolgen konnten, gab es auf Dauer keine Sicherheit. Nicht für ihn, nicht für seine Eltern. Nirgendwo. Wenn er überhaupt noch etwas für seine Eltern tun wollte, dann musste er sich seiner Aufgabe stellen. Und die lautete absurderweise: Rette dich Kirche!
Ein ganzes Leben endete mit zwei kurzen und innigen Umarmungen vor einer japanischen Luxuslimousine. Zum ersten Mal in all den Jahren sah Peter seinen Vater weinen.
»Tu uns einen Gefallen und stirb nicht, hörst du?«, sagte er, als er sich wieder gefangen hatte. Es sollte wie ein Scherz klingen.
»Na klar«, brachte Peter mühsam hervor. »Ich liebe dich auch, Papa.«
Peters Eltern umarmten auch Maria. Peter sah, wie seine Mutter ihr etwas ins Ohr flüsterte, und wie Maria daraufhin rot wurde.
»Was hat sie zu dir gesagt?«, wollte Peter wissen, als der Lexus mit seinen Eltern das Grundstück verlassen hatte.
»Sie … hat mich gesegnet«, log sie.
LXX
17. Mai 2011, Domhotel, Köln
E in japanischer Zimmerkellner bewegte sich fast lautlos durch die weitläufigen Flure des ehrwürdigen Domhotels. Die beste Adresse der Stadt, direkt gegenüber dem Kölner Dom gelegen, gehörte zwar seit einigen Jahren zum Nakashima-Konzern, war aber in Ambiente und Stil unverändert geblieben. Allein an dem internationalen Personal merkte man, dass in dem traditionsreichen Luxushotel ein neuer Wind wehte. Der rote Teppichboden dämpfte die eiligen Schritte des Zimmerkellners, aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Der Mann hatte gelernt, sich leise zu bewegen. Die wenigen Gäste, denen er im dritten Stock begegnete, begrüßte er jedes
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