Apocalypsis 1 (DEU)
Fälle zurück schickten. Don Luigi unterschied sehr genau zwischen Krankheit und Fluch und wusste, dass die Autorität des Papstes hinter ihm stand. Das Böse war eben der Preis für den freien Willen, der Dämon war überall, auch im Vatikan. Eine Zählung sämtlicher bekannter Dämonen 2004 hatte eine Zahl von 1,75 Milliarden ergeben. Davon hatte Don Luigi in seinem Leben bereits an die fünfzigtausend ausgetrieben und ging seiner seltsamen Profession so unaufgeregt und ernsthaft nach wie ein Handwerker, der ein Rohr abdichtet. Don Luigi war ein Klempner des Bösen.
Peter setzte sich auf einen der freien Stühle und beobachtete weiterhin die junge Schwester, die eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser auf den Tisch stellte.
»Welchem Orden gehören Sie an?«, fragte Peter, mehr um das Schweigen zu unterbrechen als aus Neugier.
»Ich bin von der Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern von der allerseligsten Jungfrau und schmerzhaften Mutter Maria«, erklärte sie und lächelte milde über Peters verdutzten Gesichtsausdruck. »Eine Clemensschwester.«
»Ich habe Sie noch nie hier gesehen, Schwester.«
»Ich bin erst seit kurzem hier«, erklärte Schwester Maria, schenkte Wasser ein und setzte sich Peter gegenüber. Sie musterte ihn. »Ich war vorher in Uganda tätig und verbringe hier eine Art … Praktikum.«
»Ein Praktikum beim Chef-Exorzisten des Vatikan?« Peter trank einen Schluck. »Wenn Sie in Afrika alle Dämonen austreiben, wird vom schwarzen Kontinent nicht mehr viel übrig bleiben.«
Das schien sie nicht komisch zu finden. Sie sah ihn nur missbilligend an.
»Waren Sie schon mal in Afrika?«, fragte sie zurück.
Peter verfluchte sich dafür, weil sie nun aufgehört hatte zu lächeln. Von nebenan hörte man lauteres Schluchzen, unterdrücktes Gurgeln und Röcheln.
»Tut mir leid, ich wollte Sie nicht beleidigen.«
Sie antwortete nicht, sondern musterte ihn nur weiter unverwandt mit Augen, die nicht losließen.
»Was denken Sie jetzt?«, unterbrach Peter das Schweigen.
»Don Luigi hält große Stücke auf Sie. Ich frage mich gerade, warum eigentlich.«
Ein obszöner, markerschütternder Schrei von nebenan schreckte sie auf. » Maledetto! Porrrrrca Madonna!« Es folgte eine Tirade von gotteslästerlichen Flüchen und dazwischen Don Luigis sonore und autoritäre Stimme, die immer wiederholte: »Sag mir deinen Namen! Wie heißt du? Sag mir deinen Namen.«
Wenn der Dämon erst einmal seinen Namen preisgegeben hatte, wusste Peter, war er angreifbar. Man hatte ihn gewissermaßen am Wickel.
Nach weiteren fünf Minuten war alles vorbei. Eine füllige Frau um die Vierzig trat in die Küche. Sie wirkte leicht errötet, aber ansonsten wohlauf, grüßte in die Runde und machte ein paar Bemerkungen über das Wetter und den angekündigten Streik der Müllarbeiter. Hinter ihr traten zwei kräftige Diakone und zwei gestandene Kartäuserschwestern mit Rosenkränzen heraus, wuschen sich die Hände und tippten SMS-Nachrichten auf ihren Handys. Don Luigi begrüßte Peter mit einem Handschlag, der Peter fast die Hand zerquetschte, und stellte ihm Maria vor.
»Wir haben uns schon miteinander bekannt gemacht«, erklärte Peter. »Allerdings habe ich mich wie ein Volltrottel verhalten.«
Maria zog die Augenbrauen hoch, und Don Luigi sah die beiden einen Moment belustigt an. Dann bat er die Mutter mit ihrem Sohn in sein Behandlungszimmer und winkte auch Peter dazu.
»Kommen Sie nur, Peter!«, rief er schwungvoll. »Vielleicht spuckt dieser Junge ja Nägel oder beginnt zu schweben. Dann müssten Sie endlich ihr agnostisches Weltbild ändern.«
Der Raum sah aus wie eine Teeküche. Die Wände halbhoch gekachelt, eine kleine Spüle, ein kleiner Altar, drei Stühle, ein kleines Tischchen mit Plastikbechern für Seancen. An den Wänden ein Kruzifix, einige Bilder von Padre Pio, Mutter Teresa, dem Papst und ein Foto von Don Luigi mit dem jungen Diego Maradonna. Eine uralte Massageliege beherrschte die Mitte des engen Raumes. Don Luigi hieß den Jugendlichen, der sich als Luca vorstellte, sich auf der Liege auszustrecken. Seine Mutter setzte sich auf einen der Stühle und schwieg. Die beiden Diakone packten Luca an den Armen und hielten ihn fest. Die zwei älteren Nonnen setzten sich auf seine Beine, während Don Luigi sich von Maria das Weihwassergefäß reichen ließ. Alles lief so routiniert und unsentimental ab wie eine Zahnreinigung, dachte Peter. Luca schien keine Angst zu haben, er wirkte bloß sehr
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