Apocalypsis 1 (DEU)
still.
»Es wird nicht weh tun«, beruhigte ihn Don Luigi. »Glaubst du an den Satan?«
»Si, padre.«
»Das ist gut. Wer nicht an den Teufel glaubt, der glaubt auch nicht ans Evangelium«, sagte Don Luigi und wandte sich an Peter. »Nicht wahr?«
Peter zuckte mit den Achseln und erwiderte nichts. Er kannte Pater Luigis Provokationen, und sah zu Maria hinüber, die sich hinter Luigi die Ärmel aufkrempelte und dann Lucas Kopf festhielt. Von Peter nahm sie keinerlei Notiz mehr.
»Der Dämon ist überall«, erklärte Luigi. »Selbst der Papst ist nicht unangreifbar.«
Peter horchte auf. Don Luigi hatte Deutsch gesprochen. Auch Maria sah ihn erschrocken an.
»Theoretisch«, fügte Don Luigi hinzu und wandte sich wieder dem Jungen zu, dem die fremde deutsche Sprache mehr Angst zu machen schien als der Teufel.
Don Luigi besprengte ihn mit einigen Tropfen Weihwassers und begann die Austreibung wie üblich mit der Anrufung des Erzengels Michael, dem Psalm 68/67 und dem Bannspruch von Papst Leo XIII.
»Im Namen und in der Kraft unseres Herrn Jesu Christi beschwören wir dich, jeglicher unreine Geist, jegliche satanische Macht, jegliche feindliche Sturmschar der Hölle, jegliche teuflische Legion, Horde und Bande: Ihr werdet ausgerissen und hinausgetrieben aus der Kirche Gottes, von den Seelen, die nach Gottes Ebenbild erschaffen und durch das kostbare Blut des göttlichen Lammes erlöst wurden.
Wage es nicht länger, hinterlistige Schlange, das Menschengeschlecht zu täuschen, die Kirche Gottes zu verfolgen und die Auserwählten Gottes zu schütteln und zu sieben wie den Weizen.«
Danach malte er dem Jungen mit einem Daumen das Kreuzzeichen auf die Stirn. Peter sah jetzt, dass der Junge einen Gothic-Sticker im Ohr trug.
»Lasse ab, Luca, vom Satanismus!«, psalmodierte Don Luigi laut. »Lasse ab von Hexerei, von Dämonen und Kartenlesern!« Don Luigi patschte ihm einige Male mit der flachen Hand auf die Stirn. »Wie heißt du?« Luigi hielt sein Ohr an die Lippen des Jungen. Keine Antwort.
Der alte Exorzist patschte Luca erneut auf die Stirn. »Ich frage dich, Dämon, sag mir deinen Namen!«
»G oblinhammer «, flüsterte die Mutter des Jungen dazwischen. »Er heißt Goblinhammer . Aus diesem Computerspiel.«
Peter musste unwillkürlich grinsen. Die angebliche Besessenheit des Jungen war nichts weiter als die überreizte Phantasie eines pubertierenden Bengels nach exzessivem Abtauchen in Online-Rollenspiele.
Luca grinste nicht. Das hier war für ihn kein Spaß mehr.
»G oblinhammer !«, dröhnte Don Luigi jetzt und patschte ihm immer wieder mit Weihwasser auf die Stirn. »Im Namen der allerunbeflecktesten Jungfrau Maria, im Namen unseres Herrn Jesu Christi, im Namen des Erzengels Michael – lasse ab von Luca!«
Peter sah, dass der Junge inzwischen heftig schwitzte. Luigi patschte ihm immer wieder auf die Stirn und rief den Dämon im Namen sämtlicher Heiligen auf, den Leib von Luca zu verlassen. Denn darum ging es beim Exorzismus: um die Besessenheit des Leibes, nicht der Seele.
Luca krümmte sich, verzog das Gesicht wie unter Schmerzen und verkrampfte die Beine.
»Lasse ab, Goblinhammer , von Luca! Lasse ab von ihm!«
Luca gurgelte irgendetwas, röchelte, zuckte wieder heftig und begann zu spucken. Maria, die Diakone und die Nonnen hatten Mühe, ihn zu halten. So langsam wurde es unheimlich in dem engen Raum. Peter ging ein absurder Gedanke durch den Kopf. Was, wenn der kleine neapolitanische Bengel hier gleich wirklich anfing zu schweben oder Nägel zu spucken, wie Luigi es angeblich schon mehrfach erlebt hatte?
Doch Luca spuckte keine Nägel und schwebte auch nicht über der Massageliege. Er öffnete nur plötzlich den Mund und sprach. Mit einer Stimme, die nicht mehr seine war.
Auf Deutsch.
»Auf der Via della Conciliazione regiert das Chaos. Von überall rasen Ambulanzen heran, auf den Straßen liegen Leichen und Trümmerteile, es sieht aus wie auf einem Schlachtfeld. Vor etwa einer halben Stunde erschütterte eine gewaltige Detonation den gesamten Vatikan. Augenzeugen berichten von einem gleißenden Lichtblitz, der die Kuppel des Petersdoms zerfetzte. Die Druckwelle tötete Tausende von Menschen, schleuderte Gebäudetrümmer und parkende Autos mehrere hundert Meter weit. Über die Hintergründe dieses verheerenden Anschlags lässt sich zur Stunde nichts sagen, auch nicht über das Schicksal der hundertsiebzehn Kardinäle, die sich in der Sixtinischen Kapelle zum Konklave versammelt hatten.
Weitere Kostenlose Bücher