Apocalypsis 1 (DEU)
Gebiet des Vatikans und unter allen Umständen im Schutz des Papstes liegen.
Urs Bühler verstand seinen Dienst bei der Schweizer Garde durchaus als Gottes-Dienst. Die Garde war für ihn keine prunkvolle Leibgarde, kein Mönchsorden, kein Trachtenverein und keine Elitetruppe. Für Bühler war sie etwas ganz und gar Unzeitgemäßes und gerade deswegen so erfolgreich: eine Eidgenossenschaft.
Jetzt, mit Ende vierzig, wirkte der kompakte Schweizer immer noch durchtrainiert aber nicht athletisch. Sein nach Legionärsart rasierter Schädel machte ihn etwas stiernackig, ansonsten könnte Bühlers Gesicht fast schon weich wirken, wenn die harten, hellen Augen nicht gewesen wären.
Bühler hatte keine Familie und lebte nur für die Garde, beinahe zölibatär, wenn man von gelegentlichen Besuchen in einem Thai-Bordell absah, in dem auch ein Kurienkardinal verkehrte. Bühler hatte sogar den ewigen Konkurrenzkampf zwischen der Schweizergarde und der päpstlichen Gendarmerie für sich entschieden und erreicht, dass die Gendarmerie im Ernstfall eines Angriffs auf den Vatikan ihm persönlich unterstellt war.
Dieser Ernstfall war vor einer Woche eingetreten.
Bühler hegte keinerlei Zweifel, dass die drei Morde am Tag des Rücktritts des Papstes den Beginn einer Offensive gegen den Vatikan markierten. Der Papstrücktritt allein warf schon so viele Fragen auf, dass Bühler bis vor einer Stunde geglaubt hatte, der Papst sei entführt worden oder bereits tot. Inzwischen hielt er es nicht mehr für ausgeschlossen, dass die Gefahr gegen den Vatikan vom ehemaligen Papst selbst ausging. Und das irritierte ihn zutiefst.
Bühler war Soldat und musste wissen, wo die Front verlief, wo der Feind stand. Wer der Feind überhaupt war . Im Moment war nichts von alledem klar. Fest stand nur, dass in wenigen Tagen das Konklave stattfinden würde, mit über hundert Kardinälen aus aller Welt, der gesamten geistlichen Spitze der katholischen Weltkirche. Und Bühler musste ihre Sicherheit mit kaum ebenso vielen Gardisten und den 130 Mann der päpstlichen Gendarmerie (die er allerdings für bessere Verkehrspolizisten hielt) garantieren. Das war seine Aufgabe, und er hasste es, wenn ihm irgendwelche verschissenen Italiener dabei in den Arsch traten.
Nur mit größter Mühe und der persönlichen Intervention von Kardinal Menendez bei den italienischen Polizeibehörden war es gelungen, das Gemetzel auf dem Heliport als tragischen Unfall durch Rotorblätter zu kaschieren. Den Mord an dem päpstlichen Chauffeur gaben sie als Selbstmord aus und dichteten dem jungen Toten eine Affäre mit einer verheirateten Frau an.
Morde aufzuklären gehörte weder zu Bühlers Aufgaben, noch war er dafür ausgebildet. Er war jedoch überzeugt, dass er das Konklave und den neuen Papst nur wirkungsvoll schützen konnte, wenn er wusste, wer sie angriff. Menendez hatte das sofort verstanden und mit seinem ganzen Einfluss bei den römischen Behörden dafür gesorgt, dass man Bühler über die Ermittlungen auf dem Laufenden hielt.
Der Mörder des ehemaligen päpstlichen Privatsekretärs und des Hubschrauberpiloten musste sich seiner Sache sehr sicher gewesen sein, denn er hatte einen Haufen Fingerabdrücke hinterlassen, die jedoch nirgendwo registriert waren. Selbst Interpol hatte passen müssen.
Für den ehemaligen Fremdenlegionär Bühler sah der Mord an Duncker ganz nach einer Kommandoaktion hinter feindlichen Linien aus, auch wenn die Brutalität der Attacke irgendwie nicht dazu passte. Dennoch war Bühler überzeugt, dass sich der Mörder gut im Vatikan auskannte. Womöglich ging er unkontrolliert ein und aus. Womöglich war er immer noch da, bereit, jederzeit wieder zuzuschlagen.
Bühler hatte die Garde umgehend in Alarmbereitschaft versetzt. Er hatte die Passierscheinkontrollen an den Toren verschärft, einen Patrouillenplan für die Gendarmerie erstellt und eine Überprüfung sämtlicher Beschäftigten des Vatikans angeordnet. Außerdem hatte er die kurialen Mitarbeiter, das Governatorat, die verschiedenen Orden, die Gärtner, Reinigungskräfte, Schlosser, Polsterer und alle anderen Einrichtungen im Vatikan per E-Mail angewiesen, ihm verdächtige Personen und Vorkommnisse umgehend zu melden.
Aber natürlich hätte er es besser wissen müssen. Der zuständige Redakteur bei Radio Vaticano, ein blasser Mailänder Kaplan, hatte sich achselzuckend damit entschuldigt, dass die E-Mail des Ex-Papstes immerhin ein Sicherheitszertifikat des Vatikan-Servers getragen hatte,
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