Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apocalypsis 1 (DEU)

Apocalypsis 1 (DEU)

Titel: Apocalypsis 1 (DEU) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
Vom Netzwerk:
Fleisch, der einmal ein beliebter Kardinal gewesen war, lag zusammen mit seiner Haut nachlässig unter einer Plane versteckt in einem kleinen Pinienwäldchen am Strand und wartete darauf, in Kürze gefunden zu werden.
    Nikolas hatte den Kardinal zunächst einige Tage ergebnislos observiert, wie Seth es angeordnet hatte. Gestern Abend dann hatte er endlich die Freigabe erhalten, den Kardinal persönlich aufzusuchen. Mit seiner sanften, fast jugendlichen Stimme hatte er ihm ein paar einfache Fragen gestellt. Immer wieder die gleichen Fragen. Zunächst hatte der alte Mann keine Furcht gezeigt und sich als überraschend resistent gegenüber dem Schmerz erwiesen. Bis Nikolas angefangen hatte, ihn mit der Machete von den Zehen bis zum Hals lebendig zu häuten und zu schächten wie ein Opferlamm. Zuvor hatte er dem Mann noch die Lippen zugenäht, damit er nicht schrie.
    Hass ist gut, Schmerz ist gut. Der Schmerz ist das Licht in der Dunkelheit und dem Chaos der Welt. Schmerz ist Ordnung. Und Hass ist Mutter des Schmerzes, die reine, ewige, heilige Flamme, das Manna des Lichts.
    Er hatte sich Zeit gelassen. Er hatte dem Kardinal immer wieder die gleichen, einfachen Fragen gestellt. Und als er die Antworten dann bekam, hatte er gegen sein Versprechen eines raschen Todes einfach weitergemacht. Es war eine Frage der Ordnung.
    Nikolas wusste natürlich, dass er wahnsinnig war. Nur ein Wahnsinniger war in der Lage, diese Dinge zu tun. Nach allen Maßstäben der Welt musste er ein Monster sein. Das bedeutete jedoch nicht, dass er nicht genau wusste, was er tat. Er empfand keine Freude beim Töten, kein rauschhaftes Glücksgefühl, auch keinen dumpfen Druck, wenn er längere Zeit nicht getötet hatte. Das einzige, was er empfand, war die anschließende Befriedigung, das Richtige getan zu haben. Seine heilige Pflicht erfüllt zu haben. Er musste nicht töten. Zu töten erregte ihn ebenso wenig wie der Anblick von Kinderspielzeug. Aber Töten war notwendig, und auch das Töten musste sich wie alles in der Welt einer klaren Ordnung unterwerfen. Und diese Ordnung hieß Schmerz.
    Der Meister erwartete ihn, ganz in Weiß gekleidet, in seiner Suite. Obwohl Nikolas ihn schon sein ganzes Leben lang kannte, waren die Begegnungen mit dem Meister noch immer erhabene Momente für ihn. Er küsste den Ring des Lichts, warf sich vor ihm flach auf den Boden, breitete die Arme aus und wartete ehrfurchtsvoll darauf, angesprochen zu werden.
    »Du kannst dich jetzt erheben, Nikolas«, sprach ihn Seth nach einer Weile an und wies ihm einen Sessel zu. »Tee?«
    »Gerne, Meister.«
    Seth goss hellen grünen Tee in zwei Schälchen, setzte sich in einen Sessel gegenüber und musterte Nikolas eine Weile. Auf einem niedrigen Tischchen zwischen ihnen lag der Umschlag, den Nikolas dem Privatsekretär abgenommen und der sie auf die Spur des Kardinals gebracht hatte. Nikolas wusste, was der Umschlag enthielt.
    Seth hielt sein Schälchen in den gut manikürten, alten Händen und trank seinen Tee in kleinen Schlucken. Nikolas trank ebenfalls einen Schluck und achtete darauf, das kostbare, vierhundert Jahre alte japanische Schälchen nicht zu fest auf den Tisch zurückzustellen.
    »Berichte.«
    Nikolas reichte dem Meister wortlos eine Liste mit einundzwanzig Namen. Seth nahm die Liste und studierte sie.
    »Sind das alle?«
    »Ich denke ja.«
    Seth legte die Liste auf das Tischchen zu dem Umschlag.
    »Für welchen von ihnen war der Umschlag bestimmt?«
    »Für keinen. Der Stick sollte an ein Missionshospital im Norden Ugandas weitergeleitet werden.«
    Seth zog eine Augenbraue hoch. »Was für eine Koinzidenz. An wen genau sollte der Umschlag gehen?«
    »Das wusste der Kardinal auch nicht. Er hatte nur die Adresse der Station und die Anweisung, den Umschlag persönlich dort abzuliefern.«
    Nikolas schob ein Foto über den Tisch. Es zeigte eine junge Nonne vor einer Lehmhütte mit afrikanischen Kindern, von denen keines lachte. »Ich habe die Missionsstation überprüft. Diese Nonne arbeitete da seit fünf Jahren. Vor acht Tagen ist sie plötzlich verschwunden. Niemand weiß, wo sie jetzt steckt. Bestimmt kein Zufall.«
    »Gute Arbeit, Nikolas.« Seth zog einen handelüblichen USB-Stick aus dem Umschlag. »Wir haben diesen Stick jetzt tagelang untersucht, mit allen Mitteln, die uns zu Verfügung stehen. Es ist nur eine einzige verschlüsselte Datei darauf gespeichert. Wir haben sie zwar knacken können, aber sie enthält nur Zahlenkolonnen. Die Experten vermuten, dass

Weitere Kostenlose Bücher