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Apocalypsis 1 (DEU)

Apocalypsis 1 (DEU)

Titel: Apocalypsis 1 (DEU) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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die Zahlen eine geografische Position kodieren.«
    »Eine Karte?«
    Seth antwortete nicht, sondern sah sich das Foto der jungen Nonne genauer an. Nach einer Weile reichte er Nikolas das Foto zurück.
    »Finde sie.«
    »Soll ich sie töten?«
    »Nein. Möglicherweise ist sie der Schlüssel zu der Karte.« Seth tippte leicht mit einem Finger auf die Liste mit den einundzwanzig Namen. »Die wirst du töten.«
    »Was ist mit Laurenz?«, fragte Nikolas.
    »Darum kümmern sich andere. Sobald Laurenz gefunden ist, werde ich dich rufen.«

XVII
    10. Mai 2011, bei Bronte, Sizilien
    I rgendwann in der Nacht hatte er aufgehört zu schreien. Stattdessen hatte er versucht, die lähmende Angst abzuschütteln, sich mit dem Rücken und den Beinen an der Mauer abzustützen wie ein Bergsteiger und sich so Stück für Stück den Brunnenschacht hinaufzuarbeiten. Vergeblich. Der Schacht war zu breit, um festen Halt zu finden. Erschöpft, verzweifelt und frierend verbrachte Peter die Nacht zusammengekauert an der feuchten Mauer und wartete auf den Morgen. Ein altes Kinderlied ging ihm durch den Kopf und setzte sich fest, bis er es irgendwann leise mitsummte. Wie damals. Denn solange er seine eigene Stimme hörte, hatte die Angst noch nicht endgültig gesiegt.
    Solange gab es noch Hoffnung.
    Häschen in der Grube, saß und schlief, saß und schlief. Armes Häschen, bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst? Armes Häschen, bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst?
    Trotz der Angst, die ihn unerbittlich fest im Griff hielt, fand er für kurze Momente etwas Schlaf, durchtränkt von wirren, entsetzlichen Träumen. Träume von einer Grube in einer Wüste und dem Druck von Sand auf seiner Brust.
    … saß und schlief. Armes Häschen, bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst?
    Trotz der Kälte kam der Durst. Peter trank eine Flasche von dem Mineralwasser, das sie ihm mitgegeben hatten und pinkelte etwas später in den bereitgestellten Plastikeimer. Ein Fehler, denn der scharfe Gestank seines eigenen Urins durchschnitt alle angenehmen Gedanken und machte es unmöglich, sich abzulenken.
    Die Zeit verging quälend langsam. Lachte ihn aus. Aber irgendwann kam der Morgen, zäh wie Klebstoff, ohne Wärme zu bringen. Peter hüpfte auf der Stelle, um sich aufzuwärmen. Er zählte seine Schritte. Noch ein Fehler. Als er verschwitzt innehielt, fror er nur noch mehr.
    Er überlegte zum werweißwievielten Mal, ob sie vorhatten, ihn hier verrotten zu lassen, oder ob ihm jemand regelmäßig Wasser und Essen herunterwerfen würde. Sie hatten ihn nicht gleich getötet – wozu also der Aufwand mit dem Brunnen? Die Überlegungen glitten jedoch an den Innenwänden seines Bewusstseins ab wie seine Füße an den Brunnenwänden.
    … saß und schlief. Armes Häschen, bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst?
    Peter beobachtete den Lichtstreifen, der quälend langsam von oben herab floss wie Öl, das jemand über dem Brunnen ausgegossen hatte. Als das Tageslicht den Grund des Brunnens endlich erreicht hatte, begann Peter wieder, in regelmäßigen Abständen um Hilfe zu rufen.
    Gegen Mittag erhielt er Antwort.
    »Peter? … Peter, sind Sie das?«
    Die Stimme klang weit entfernt, wie ein Ruf aus einer anderen Welt, dennoch erkannte er sie sofort.
    »Maria!«, brüllte er aus Leibeskräften. »Hier bin ich! Hier unten in diesem Brunnen!«
    Wenig später verdunkelte sich oben das Licht am Ende des Brunnens und ein Gesicht blickte zu ihm hinab.
    »Peter? Sind Sie da unten?«
    Er widerstand dem Impuls, sie zu umarmen, als er nach unendlich langer Zeit an dem Seil, das Maria im Ort hatte besorgen müssen, aus dem Brunnen kletterte. Der ausgetrocknete Brunnen stand einsam auf einem Stück steinigem Brachland, überwuchert von dichten Ginsterbüschen und umrahmt von den für diese Gegend typischen hohen Trockensteinmauern aus Lavablöcken. Nicht weit ragte der schneebedeckte Gipfel des Ätna auf. Kein Haus zu sehen, auch das Kloster nicht.
    »Wie haben Sie mich gefunden?«, keuchte Peter als er sich umgesehen hatte.
    Sie stand vor ihm in ihrer Nonnentracht und betrachtete ihn mit einer Mischung aus Sorge und Ratlosigkeit.
    »Ich wusste doch, wo Sie hin wollten. Ich hab gleich das erste Flugzeug heute Morgen nach Catania genommen und bin mit dem Bus hier raufgefahren. Eine ziemliche Himmelfahrt.«
    Misstrauen befiel Peter plötzlich von irgendwoher.
    »Warum sind Sie mir gefolgt? Warum haben Sie mich überhaupt gesucht?«
    Sie wandte sich um,

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