Apocalypsis 1 (DEU)
Palästinenser sind eine antizionistische Erfindung der Scheichs.«
Abdullah ibn Abd al Husseini schoss aus seinem Sessel. »Das reicht!« Er wandte sich an Johannes Paul III. »Deinen Vermittlungsversuch in allen Ehren, Christ, aber du wirst dir ein anderes Projekt suchen müssen, mit dem du in die Geschichte eingehst.«
Johannes Paul III. drückte Scheich Abdullah sanft, aber nachdrücklich zurück in den Sessel.
»Sie werden nicht gehen, bevor Sie mich angehört haben, Scheich Abdullah.«
Offenbar zu verdutzt über die Kraft der päpstlichen Hände, gehorchte der Scheich.
»Ich bitte Sie«, setzte der Papst etwas versöhnlicher hinzu und wandte sich an den Rabbiner. »Dies ist ein rein informelles Treffen, wir sind hier ganz unter uns. Wir haben eine Stunde Zeit, und ich wünsche in dieser Stunde keine weiteren gegenseitigen Anschuldigungen. Damit können Sie meinetwegen fortfahren, sobald Sie den Vatikan verlassen haben. Aber ich bezweifle, dass Ihnen danach zumute sein wird.«
Eine pure Behauptung, aber sie saß.
»Du machst mich neugierig, Christ.«
»Machen Sie’s kurz«, sagte der Großrabbiner kühl.
Johannes Paul III. sammelte sich einen Moment, bevor er begann. »Zunächst möchte ich Sie bitten, dieses Gespräch vertraulich zu behandeln. Ich habe Sie nicht eingeladen, um mich als Vermittler zwischen Islam und Judentum zu profilieren. Wir sitzen hier als höchste Vertreter der abrahamitischen Religionen. Unsere Religionen gründen auf den gleichen Wurzeln, dem Stammvater Abraham. Uns verbindet mehr als uns trennt. Ich muss Ihnen nicht das Ausmaß der globalen Krise ausmalen, in der sich die Welt befindet. Ich weiß, dass Sie ebenso wie ich unter der Ohnmacht leiden, nichts dagegen tun zu können, dass diese Welt drauf und dran ist, durch Kriege, Klimawandel und ein unmenschliches Wirtschaftssystem zugrunde zu gehen.«
»Spar dir die Predigt, Christ.«
»Ja, kommen Sie zum Punkt.«
»Die Welt braucht Glauben. Glauben und Frieden. Und wir stehen in der Verantwortung, der Menschheit diesen Frieden zu geben.«
»Große Worte, Christ.«
»Kommen Sie doch endlich zum Punkt, oder wird das eines Ihrer Seminare?«
»Ich beabsichtige, eine neue Kongregation für den interreligiösen Dialog zu gründen.«
»Sehr ehrenwert, Christ!«, spottete der Scheich. »Aber wir sprechen doch längst mit euch Kreuzrittern.«
Chaim Kaplan stöhnte genervt über diese Bemerkung.
»Ich meine keine bilateralen Gespräche. Die neue Kongregation ist nur ein erster Schritt. Mein Ziel ist eine ständige Versammlung der Weltreligionen.«
»Das ist ja absurd«, rief Kaplan. »Ich hätte nicht gedacht, dass gerade Sie solch romantischen Vorstellungen nachhängen. Eine UNO der Religionen? Shmontses !«
»Da gebe ich dem Zionisten ausnahmsweise Recht, Christ. Das ist doch nur wieder ein schlecht getarnter Versuch der katholischen Kirche zur Missionierung. Du willst die Heilsexklusivität zurück, Christ. Du willst uns überrennen, vernichten, auslöschen. Du willst Macht!«
»Nein«, erklärte der Papst. »Ich will nur eines: Frieden. Wenn die Menschheit nicht schon sehr bald untergehen soll, dann müssen wir nun zum ersten Mal in der Geschichte unserer Religionen zusammenstehen gegen unseren gemeinsamen Feind.«
»Und der wäre, Christ?«
»Ja, da bin ich ebenfalls gespannt«, sagte der Rabbiner betont amüsiert.
Johannes Paul III. sah die beiden Männer vor sich an. »Der Satan«, sagte er. »Er ist schon auf dem Weg.«
XXVII
12. Mai 2011, Rom
D iese ewige Enttäuschung über das Leben, so wie es ist. Altes, vertrautes Gefühl.
Wie passend.
Nur noch eine einzige weitere »Behandlung«, und er hätte ihnen alles gestanden. Den Einbruch, den Fund, das Amulett und wer es nun hatte, die Pergamente und Papyri und was Don Luigi darüber bereits herausgefunden hatte. Beim nächsten Mal hätte er geredet. Er hatte sowieso schon geredet. Er hatte gestanden, Loretta getötet zu haben, nur um Zeit zu gewinnen, nur um ihnen irgendetwas zu geben, was sie glauben würden. Er hatte sogar gestanden, dass er den Petersdom in die Luft sprengen wollte. Denn welchen Unterschied gab es schon zwischen einer Vision und der Realität, wenn man ein nasses Handtuch über dem Gesicht hatte und gerade ertrank.
Beim nächsten Mal hätte er ihnen auch noch den Rest erzählt.
Peter hatte sich immer vorgestellt, dass sich nach andauernder Folter irgendwann Gleichgültigkeit einstellen würde, der Wunsch, einfach nur noch sterben zu dürfen.
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