Apocalypsis 1 (DEU)
Kontakte in aller Welt zu verfügen, und er wusste und ermöglichte Dinge, zu denen sonst nur Geheimdienste in der Lage waren. Peter fragte sich, welche Agenda Don Luigi eigentlich in diesem Spiel verfolgte. Auf welcher Seite der Pater wirklich stand.
Aber was sind überhaupt die Seiten? Und auf welcher stehst du denn? Was suchst du in Avignon eigentlich? Den Beweis für deine Unschuld? Wie soll eine achthundert Jahre alte Prophezeiung beweisen, dass du Loretta nicht getötet hast? Also, was suchst du? Mach eine Liste.
Das Original der Prophezeiung des Malachias.
Hinweise auf die Herkunft und die Bedeutung des Amuletts und der alchemistischen Schriften aus der Papstwohnung.
Hinweise auf einen Zusammenhang zu deinen Visionen und dem bevorstehenden Anschlag auf den Vatikan.
Hinweise auf einen Zusammenhang zu den Templern.
Hinweise auf ein Geheimnis, dass die katholische Kirche seit tausend oder mehr Jahren unter Verschluss hält.
»Ach, Scheiße.« Peter rieb sich energisch das Gesicht. Er hatte keine Ahnung, was er wirklich suchte. Aber vielleicht ging es ja gar nicht ums Suchen, sondern ums Finden.
Der Learjet war luxuriös ausgestattet. Mohammed Al Naimi, der Peter gegenüber saß, hatte seit der Abfahrt aus dem Kloster kein einziges Wort mehr an ihn und Maria gerichtet. Peter hatte vergeblich versucht, noch mehr Erklärungen aus ihm herauszulocken. Aber der Botschafter schwieg hartnäckig, offenbar entschlossen, nicht mit Ihnen zu reden. Also genoss Peter Marias körperliche Nähe neben sich, ihre Wärme, den Geruch ihrer Seife. So nebeneinander in den Flugzeugsitzen fühlte er sich ihr sogar näher, als zusammengepfercht in jenem Schrank im Apostolischen Palast.
Wie lange ist das her? Einen Tag? Ein Jahr?
Aber trotz der körperlichen Nähe wirkte sie wie weit entfernt und sah nur gedankenverloren aus dem Fenster.
»Was ist das für eine Seife, die du benutzt?«, fragte er ohne nachzudenken.
Boah, hör auf damit! Lass es einfach.
Sie wandte ihm den Kopf zu und sah ihn an, als habe sie die Frage nicht richtig verstanden. Dann lächelte sie wie flüchtig und schaute wieder aus dem kleinen Fenster, wo nichts weiter als strahlend blaues Meer zu sehen war.
Ein seltsames Gefühl der Verlorenheit überfiel Peter, als er sich klar machte, zwischen zwei fremden Menschen zu sitzen, über deren Absichten er nur Mutmaßungen anstellen konnte. Angst nicht. Verlorenheit. Einsamkeit. Das Gefühl, genau diese Situation bereits erlebt zu haben. Das Gefühl, unter Fremden zu sein.
Auf der Flucht zu sein.
Und im Kielwasser dieser bedrückenden Einsamkeit trieb das Misstrauen, das sich unvermittelt gegen Maria richtete. Warum kam sie mit? Sollte sie ihn beobachten? War sie wirklich eine Nonne oder ebenfalls eine Agentin wie Loretta und Alessia Bertoni? Das Misstrauen war eine Ratte, die an seinem Herz fraß, unersättlich und böse.
»Wann bist du in den Orden eingetreten?«
»Vor fünf Jahren.«
»Und warum?«
»Du würdest es ohnehin nicht verstehen.«
»Versuch’s. Ich meine, mal ehrlich, du bist eine schöne, kluge Frau. Du wirkst nicht wie jemand, der vom Leben bereits so enttäuscht ist, dass er sich von der Welt abwenden muss.«
Ärgerlich drehte sie sich zu ihm um. Mohammed Al Naimi zeigte keinerlei Interesse an der Unterhaltung.
»Ich habe mich nicht von der Welt abgewandt. Ich habe mich Gott zugewandt.«
»Ach, komm!«, erwiderte Peter gereizt. »Erspar mir solche Plattheiten. Erklär’s mir. Warst du nie verliebt? Hast du je einen Freund gehabt? Wolltest du nie Kinder?«
»Jetzt fängst du mit den Plattheiten an. Aber gut. Ja, ich war schon verliebt. Ja, ich hatte mal einen Freund. Ja, ich wollte auch mal Kinder haben. Aber in jenem Leben damals hat mir immer etwas Wesentliches gefehlt. Etwas, dass ich nie benennen konnte. Vor fünf Jahren hatte ich eine Art Zusammenbruch, sagen wir mal so. Es ging mir sehr schlecht. Nach drei Wochen Krankenhaus konnten die Ärzte immer noch nichts Organisches finden. Also beschloss ich, mich für zwei Wochen in einem Kloster zu erholen. Als ich dort die innige Gemeinschaft der Schwestern mit Gott erlebte, da verstand ich, was mir die ganze Zeit über gefehlt hatte: Gott. Ich wollte bei Gott sein, so nah wie möglich. Und ich war bereit, den Preis dafür zu bezahlen.«
»Aha, du sagst es selbst: Du vermisst etwas!«
»Der Verzicht ist eine Tugend des freien Willens. Und alles hat seinen Preis. Man muss verstehen, wo man hingehört. Ich gehöre Gott. Der Glaube
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