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Apocalyptica

Apocalyptica

Titel: Apocalyptica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Graute
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gefunden?“ Midael war immer wieder aufs Neue fasziniert davon, wie gut die Ragueliten, die in Roma Æterna völlig im Verborgenen agierten, über alles und jedes Bescheid wussten.
    „Es war nicht allzu schwer, sich zusammenzureimen, wo sie dich hinbringen, mein Freund.“ Die Stimme Haakons von Melhus war nur ein Flüstern, und dennoch hatte der Samaelit den Eindruck, als hallten die Wände von seinen Worten wider. Auch der Raguelis-Ab schien unglücklich über die Tatsache, dass die unterirdischen Gewölbe wenig Komfort boten, was die Geräuschdämpfung anbelangte. Ob es Absicht oder Unvermögen der Baumeister gewesen war, darüber wollte er in diesem Augenblick jedoch nicht nachdenken müssen.
    „Ihr seid ganz allein hierhergekommen, um mich aus dem Gefängnis zu befreien?“ Midael wusste nicht, ob er sich geehrt fühlen oder den alten Ab für einen Toren halten sollte, weil er sich solcher Gefahr aussetzte. Er war nicht wichtig genug, als dass das letzte Oberhaupt der Bewahrer der Technik sich für ihn in Gefahr begeben sollte.
    „Still! Wir sind nicht allein.“ Warnend legte Haakon von Melhus einen knorrigen Finger an die Lippen. Wie als Antwort auf seine Befürchtungen bog in diesem Moment eine Wache um die Ecke zu seinem Zellentrakt und bellte dem ungleichen Paar entgegen, auf der Stelle stehenzubleiben. Ein hoher Ton, der Midaels Gehirn zum Kochen bringen wollte, schwoll an, und kurz darauf brach der Mann am anderen Ende des Ganges zusammen. Der Raguelis-Ab hatte ein Art Waffe auf ihn gerichtet und ihn niedergestreckt, ohne ihn körperlich zu verletzen.
    Verdattert blickte der Samaelit von Melhus an. „Was ...?“
    „Jetzt nicht. Wir müssen hier weg.“ Ohne eine Reaktion des Engels abzuwarten, drehte der Ab sich um und folgte dem Gang tiefer in den Zellentrakt. Midael war überrascht davon, wie behände sein Retter sich trotz seines beträchtlichen Alters bewegte. Hätte er noch über seine Flügel verfügt, wäre die Flucht für ihn spätestens hier vorüber gewesen, denn der Gang war stellenweise so eng und verwinkelt, dass er schlicht steckengeblieben wäre. Ein weiteres Indiz dafür, dass dieser Ort nicht dafür gedacht war, seinesgleichen zu beheimaten. Seinesgleichen. Trotz der Ablenkung und ihrer misslichen Situation musste Midael über sich selbst lachen. Wie schwer war es doch, ausgetretene Pfade zu verlassen. Er war kein Deut besser oder anders als die Menschen, die hier eingesperrt oder bereits gestorben waren. Ja, er konnte sich rühmen, kein Verbrechen begangen zu haben, dessen er sich hätte schuldig fühlen müssen, aber wer sagte ihm, dass es seinen Zellengenossen anders ging? Er hatte den Glauben verloren. Den Glauben an Gott, an die Kirche und an alles, was er gelernt hatte. Alles war ein entsetzlich großes, ineinander verstricktes Lügengespinst.
    „Hier lang.“ Melhus war erneut um eine Ecke gebogen, und wenig später landeten sie in einem toten Korridor, aus dem es kein Entrinnen zu geben schien. Midael konnte ihre Verfolger bereits hören, und es würde keine fünf Minuten mehr dauern, bis man sie entdeckte. Dass der Ab nicht wehrlos war, hatte Midael bereits eindrucksvoll erfahren. Vielleicht konnten sie sich nach draußen vorkämpfen. Die Kirche hatte ihn zur Kampfmaschine geformt. Sein Körper war in der Lage, Geschossen und Schlägen standzuhalten, und wenn er sich konzentrierte, dann benötigte er nicht einmal eine Waffe, denn sein Körper konnte selbständig Knochensporne ausbilden, die wie Waffen zu benutzen waren. Das hatte er mit seinen gabrielitischen Schwestern und Brüdern gemein, doch er hasste es, diese Macht einzusetzen. Sie war grob und fühlte sich falsch an. Er kam sich selbst vor wie ein Dämon, wenn er diese Kraft nutzte. Haakon von Melhus hatte bereits einmal miterleben müssen, wie Midael aus Angst und Unwissenheit eines der technischen Wunderwerke der Ragueliten mit dieser Macht zerstört hatte. Danach war Midael sich unrein vorgekommen und hatte sich geschämt. Seine Samaelis-Sichel wäre ihm jetzt deutlich lieber gewesen, doch er musste nehmen, was ihm zur Verfügung stand.
    Als er sich wieder umdrehte, hatte Haakon von Melhus sich seiner Kleider entledigt und sie zu einem Bündel zusammengedreht. Der Körper des alten Mannes war sehnig und frei von Wohlstandspölsterchen, jedoch hing die Haut an ihm, als sei sie ein paar Nummern zu groß. Nichts Ungewöhnliches für einen Mann seines Alters. Midael war verdutzt. „Was tust du?“
    Ohne eine Antwort

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