Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
eines der Geräusche ertönte, die einen leidlich kultivierten Menschen in eine Art schizophrenen Wahnsinn stürzen konnten, trank Ihara Goyer das Glas aus. Stapen dirigierte sie zurück ins Zimmer und befahl ihr, sie solle sich auf die Liege setzen. Sie nickte und deutete auf das Gerät.
    »Das ist mit Sicherheit Ree.«
    »Er wird verstehen, daß Sie abends vielleicht auf der Plaza sitzen möchten«, sagte Stapen. »Ich antworte nicht.«
    Sie gähnte leicht.
    »Wo sind Schnüre, Riemen, Gürtel?« wollte er wissen.
    »Suchen Sie sich Ihre Ausrüstung selbst zusammen. Das können Sie nun wirklich nicht verlangen.«
    Stapen hatte die Gebrauchsanweisung und die Indikation dieses Medikaments genau studiert. Ihr Gähnen kam demnach zu früh. Er behielt die Waffe in der Hand und zündete sich, ohne die Augen von ihr zu lassen, eine der letzten Zigaretten an. Dann wartete er. Das Gerät hörte nach etwa fünfzehn Impulsen auf zu summen. Stille breitete sich aus. Zwanzig Minuten ... qualvoll langsam verstrich die Zeit. Stapen wartete geduldig. Dann stand er leise auf und sah sie aus der Nähe an. Sie schien zu schlafen, denn sie war zur Seite gefallen und lag da, die Hände unter dem Gesicht. Stapen ging in die kleine Garderobe, blieb dort stehen und suchte mit der linken Hand zwischen den Kleidungsstücken.
    Gürtelschnallen klingelten, Kleider raschelten.
    Stapen drehte sich um, lehnte sich an die Wand und blieb so stehen, daß das Mädchen von ihm nur einen Fuß und die suchende Hand sehen konnte. Seine Sinne spannten sich.
    Er hörte ein fremdes Geräusch.
    Sie schwang sich leise und bemerkenswert schnell von der Liege, huschte über den Teppichboden und blieb vor dem Kommunikationsgerät stehen. Stapen machte zwei schnelle und weite Schritte und stand plötzlich drei Meter neben ihr.
    »Ich schieße wirklich!« sagte er halblaut.
    Sie fuhr herum. Sie hatte ihn nicht gehört.
    »Verdammt!« sagte sie. Dann senkte sie den Kopf. Sie wußte, daß sie verloren hatte. Ihre Bewegungen waren jetzt schon schwer und träge, und eine halbe Stunde später schlief sie wirklich.
    Jetzt trat Stapen endgültig in Tätigkeit.
    Er suchte Schnüre und schmale Riemen und fesselte sie. Er band sie an die Armlehnen der Liege fest und vergewisserte sich, daß sie auf keinen Fall entkommen konnte. Dann suchte er sich, indem er die nähere Umgebung des Apartments inspizierte, einen oder zwei mögliche Fluchtwege, ließ die Schiebetür zu einer kleinen Terrasse offen und machte sich aus Kissen und Polstern in einer Ecke des Raumes ein Lager. Er schlief ziemlich spät ein. Ein zweiter, unangenehmer Tag verging, nachdem Ihara gegen Mittag aufgewacht war.
     
    Es verhielt sich so, wie Ihara gesagt hatte. Das Buch enthielt zwar sämtliche Planungsdaten, aber keinen Hinweis darauf, was Cythera Minor Nova wirklich plante. Schiffsgrößen, Typen, maschinelle Ausrüstung, Anforderungen an Mannschaft und Begleitpersonal – sonst nichts über den Verwendungszweck der großen Raumflotte. Die Schiffe waren hier hergestellt worden. Das wiederum bedeutete, daß es mindestens eine leistungsfähige Raumschiffswerft gab. Diese Erkenntnis wiederum bedingte zusätzliche Informationen, was den Materialbedarf, die Arbeitskräfte und die Maschinen betraf. Aufmerksam las Stapen das Buch bis zum Ende, konnte aber auch durch die Interpretation seiner gesamten Erfahrungen der letzten Tage nicht erfahren, wann dieser Vergeltungsschlag geplant war und in welcher Form er stattfinden würde.
    Natürlich ging es gegen Baudelaire.
    Stapen stellte achselzuckend das Buch zurück und schaute auf das Mädchen, das er von den Beinfesseln befreit hatte. Es war später Abend, und vor Ihara stand ein Glas, in dem das starke Schlafmittel aufgelöst war.
    »Eigentlich«, murmelte sie, »habe ich mir meinen Urlaub anders vorgestellt!«
    »Begreiflich. Wenn Sie morgen aufwachen, sind Sie ein Problem los. Ihr Bruder wird kommen und Sie losschneiden!« sagte Stapen. Vor ihm lag der vierte Schritt seines gefährlichen Weges. Er mußte sich auf Zwischenfälle gefaßt machen, wenn er versuchte, die nächste Stadt zu erreichen.
    Die nächsten drei Schritte lagen zwischen hier und Port Calagrana. Wenn er sich hier beim ersten Sonnenstrahl davonstahl, ging es nur noch um eine Nacht, die er im Freien verbrachte.
    Noch rund fünfzig Stunden ...
    »Er wird mich losschneiden und Sie verfolgen, Stapen!« sagte sie ernst. »Rechnen Sie damit.«
    »Das tue ich!«
    Während dieses Tages hatte sich

Weitere Kostenlose Bücher