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Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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sich herum und hetzte durch die Büsche davon, auf Omikron zu. Er lief erst langsamer, als er sich genügend weit von der Startstelle des Gleiters entfernt hatte. Schweißüberströmt fiel er auf den Waldboden und riß sich die Jacke vom Körper. Er öffnete, als er wieder zu Atem gekommen war, die Flasche mit dem Fruchtsaft und nahm einen Schluck. Sein rasender Herzschlag beruhigte sich langsam.
     
    Kurze Zeit später erreichte er eine Lichtung.
    Er kletterte vorsichtig auf einen mittelgroßen Baum und spähte in die Richtung, in der der Gleiter verschwunden war. Bisher hatte das Raumschiff seine Kurven gezogen. Jetzt kamen aus der betreffenden Richtung die harten Geräusche von Schüssen.
    Die Kopter kreisten wie ein kleiner Bienenschwarm über einer Stelle, die er nicht einsehen konnte. Über ihnen stand das Schiff regungslos in der Luft. Wieder krachten Schüsse über das flache Land.
    Schließlich gab es eine dumpfe Explosion.
    Stapen nickte. Das schien der Gleiter gewesen zu sein. Er stieg wieder auf den Boden hinunter und ging weiter, bis er gegen Abend an den Rand der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche stieß.
    Der Gleiter war zweifellos abgeschossen und untersucht worden.
    Das Ergebnis ließ nur einen Schluß zu.
    Also würde man jede Stelle, an der Stapen Crau 36 nach menschlichem Ermessen und nach Meinung von Rufer Exaspere auftauchen konnte, scharf bewachen. Stapen wusch sich das Gesicht an einem Viehtrog und ließ es im Wind trocknen.
    »Trotzdem habe ich Chancen!« sagte er sich.
    Er ging weiter.
    Vor ihm breitete sich die vielfarbige Schnecke einer der vielen Städte aus. Fünf Millionen Menschen verfolgten am Fernsehschirm die Suche der Sicherheitskräfte nach einem einzelnen Mann. Stapens Schätzung fiel positiv aus, denn das Netz der Kontrollen würde logischerweise so große Maschen haben müssen, daß er durchschlüpfen konnte. Es gab nicht genügend Leute, um jeden Meter des Landes nach ihm abzusuchen. Wieder hatte er einen Schritt zurückgelegt. Jetzt mußte er nur noch drei Dinge zu lösen versuchen, sagte er sich, während die Lichter hinter den Scheiben heller wurden und er sich abseits der Bahnstation, müde und zerschlagen, Omikron Nucleon näherte.
    Erstens: Er mußte herausfinden, wie tödlich die Bedrohung Baudelaires durch den Plan jenes rätselhaften Langzeitprojekts war.
    Zweitens: Er hatte diese Nacht zu überstehen, ohne daß er sich oder andere gefährdete. Er beglückwünschte sich aus durchaus persönlichen Gefühlen, daß er Ree Goyer nicht erschossen, sondern nur leicht verwundet hatte.
    Drittens: Stapen mußte die Küste erreichen, ohne daß man ihn sah. Und er hatte ohne die geringste Spur den Weg bis hinaus zu dem winzigen Felsen zurückzulegen. Das bedeutete schwimmen ohne die geringsten Hilfsmittel.
    Stapen lächelte.
    »Ich bin praktisch schon auf der Erde!« sagte er laut. »Und zwar zusammen mit Sved Amarylis.«
    Als er noch näher heranging, empfand er den unsichtbar lebenden Organismus der riesigen Stadt keineswegs als Drohung. Merkwürdigerweise hatte er alle Gedanken bis auf die des Überlegens, Reagierens und Handelns verdrängt. Erst als er jetzt, eng an einen borkigen Baumstamm gepreßt, die gläsernen Lifts sah und den schwarzen Stein, der die merkwürdige Aufschrift trug, dachte er an Adagia.
    Adagia Rouah ...
    »Adresse: Apartment hundertsechsundfünfzig, Omikron Nucleon.«
    Zum erstenmal in diesen vierzehn Tagen wurde er leichtsinnig. Er überquerte die hell erleuchtete Zone, drang in das vage Halbdunkel unter dem Boden der steinernen Schnecke ein. Feurige Trösterin kranker Seelen, hatte der unglückliche Konna Pander in sein Notizbuch geschrieben.
    »Ich riskiere es!« schwor sich Stapen.
    Etwas sagte ihm, daß ihn Adagia heute so wenig verraten würde wie in den letzten Tagen. Er benutzte den Lift, fuhr auf die entsprechende Ebene hinauf und drückte auf den Schalter neben der Tür. Wieder ertönte das Zwitschern eines unbekannten Vogels.
    Stapen hielt den Atem an. Seine schweißnassen Finger krampften sich um die Waffe in der Jackentasche.
    Ein Geräusch!
    Die Tür schob sich langsam hoch. Adagia stand in einem bodenlangen Hauskleid da, lächelte ausdruckslos und sagte:
    »Ich habe dich erwartet.«
    Stapen wurde bleich und stieß hervor:
    »Du bist allein?«
    »Allein mit meinen Gefühlen«, sagte sie. »Komm herein, Mörder.«
    Er ging starr auf sie zu. Er fühlte eine nie gekannte Beklemmung. Hinter ihm schloß sich die Tür wie die Zugbrücke eines

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