Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
selbstbewussten Art, musste sie hübsch sein. Unattraktive Frauen redeten anders. Ihr Alter schätzte er um die dreißig. Wahrscheinlich war sie blond und schlank. Nun, er würde sich überraschen lassen.
    Einmal dachte er, dass sie es sei. Die Dame, die etwas von Marilyn Monroe hatte, kam zielstrebig auf ihn zugestöckelt, aber nur um neben ihm in den Buchladen einzubiegen. Er sah ihrem wiegenden Po in dem engen Rock nach und spürte Erleichterung, dass dies nicht Marion Lingat war.
    Die fünf Minuten waren vorüber. Er bückte sich, hob seine Tasche hoch und lief zur Tür hinaus. Er schauerte, als er auf den Vorplatz trat. Obwohl die Sonne schien, waren es höchstens zwölf, dreizehn Grad. Viel zu kühl für Anfang Juni. Die Taxis standen Stoßstange an Stoßstange. Er steuerte das vorderste an. Eine ältere Dame mit gelblich blond gefärbter Dauerwelle legte die Bildzeitung beiseite und stieg aus. »Na, junger Mann, wo soll’s denn hingehen?« Ihre Stimme klang dunkel und heiser, offenbar eine starke Raucherin.
    »Nach Winningen, bitte.«
    Mit geübten Handgriffen verfrachtete sie die Reisetasche im Kofferraum. »Auf geht’s.«
    Kilian nahm auf dem Rücksitz Platz und sah nach draußen. Koblenz war eine Stadt wie jede andere. Weder besonders hässlich noch besonders schön, war sein erster Eindruck. Enge Straßen, graue, schmucklose Häuserreihen. Er lehnte sich entspannt zurück. Ein durchdringendes Hupen schreckte ihn wieder auf.
    »He, du Pappnas’! Willst du mich heut noch rüberlasse?« Die resolute Chauffeuse versuchte ungeduldig, sich in den fließenden Verkehr einzufädeln, was ihr mit einem kräftigen Tritt aufs Gas endlich gelang. Wenn sie weiterhin so forsch fuhr, war er entweder viel früher als gedacht am Ziel – oder er landete in einem Krankenhausbett.
    Der Weg führte über eine Brücke. Links lag die Mosel. Das Wasser stand ziemlich hoch. Zwischen den Baumreihen, die das Ufer säumten, tauchte ein Sportboot auf, dessen stumpfer Bug das Wasser durchpflügte, eine weiße Spur hinter sich herziehend.
    »Kennen Sie Winningen?«, fragte die Taxi-Fahrerin.
    Er verneinte, als er ihren Augen im Rückspiegel begegnete.
    »Ich will Ihnen eins sagen: Winningen ist das schönste Dorf von ganz Deutschland – und das mein’ ich nicht nur, weil ich von dort stamme.« Sie wandte sich zu ihm um, Begeisterung im Blick.
    Kilian brummte etwas Unverständliches und hoffte, sie möge sich wieder aufs Fahren konzentrieren. Ein Ortsschild tauchte auf. Güls. Was für ein Name. Dazu musste man die Lippen spitzen und die Zunge am Gaumen entlang rollen, um ihn auszusprechen.
    »Der Winninger Wein gehört zu den Spitzenweinen auf der ganzen Welt«, lobte sie überschwänglich weiter. »Das kommt durch die einmalige Lage. Mediterranes Klima haben wir dort auf den Moselterrassen. Und Ende August, da feiern wir das Moselfest. Das ist das älteste Weinfest von ganz Deutschland. Von überall her kommen dann die Leut.« Wieder drehte sie sich zu ihm um. »Da müssen Sie unbedingt wieder kommen.«
    Wieso glaubte alle Welt, ihm sagen zu müssen, was er zu tun habe?
    »Oder machen Sie sich nichts aus Wein?«, fragte sie nach einer Weile, nachdem keine Reaktion von ihm kam.
    »Nein.« Er hoffte, das hatte schroff genug geklungen. Er hatte keine Lust, sich zu unterhalten. Und er wollte nicht, dass sie sich dauernd zu ihm umdrehte. Stoisch blickte er nach draußen. Auf die vorbeiziehenden Häuser auf der rechten und den Fluss auf der linken Seite der Straße, dessen grünes Wasser immer wieder zwischen Weiden und Gebüsch hindurchschimmerte. Nun tauchten die Weinberge auf. Akkurat gepflanzte Rebstöcke. Die einzelnen Reihen sahen aus wie mit dem Lineal gezogen. Auf eine Mauer hatte man weithin sichtbar mit weißer Farbe »Winninger Röttgen« gepinselt.
    »Wo genau wollen Sie eigentlich hin?«, fragte die Taxifahrerin, als sie die Eisenbahn-Unterführung passierten.
    »Zum Löwenhof.«
    »Ach, das Vier-Mädel-Haus. Wusste gar nicht, dass die an Gäste vermieten.«
    Der Weg führte durch schmale holprige Gassen und an eng aneinander gebauten Fachwerkhäusern vorbei, die aussahen, als würden sie einander stützen. Romantisch nannte man das wohl, wenn man Sinn für so etwas hatte. Über die Straße spannten sich Drähte und Vorrichtungen, an denen dichtbelaubte Weinreben entlang kletterten.
    Als sie den Dorfrand erreicht hatten, hielt die Taxifahrerin vor einem weißen, langgezogenen Gebäude, vor dessen hoher Treppe ein aus Stein

Weitere Kostenlose Bücher