Apple - Die Geburt eines Kults
Platinen stapelten sich dutzendweise, die Zulieferer verlangten ihre übliche Bezahlung und Apples dünnes Bargeldpolster wurde knapp. Ohne Werkzeuge hätte Apple etwa drei Monate ohne Einnahmen dagestanden. Es gab Gerüchte, dass Apple zumachen würde, und Holt schob die Einstellung der Brüder Cliff und Dick Huston – Ingenieur und Programmierer – auf, bis er sicher war, dass Apple die Gehälter würde bezahlen können. „Für uns ging es um Leben und Tod“, erinnert sich Scott. „Wir hätten ein gutes Produkt gehabt, es aber nicht ausliefern können.“ Jobs eilte zu einer Firma namens Tempress im pazifischen Nordwesten, das darauf spezialisiert war, Formen an Kunden wie Hewlett-Packard zu liefern. Er erklärte einem Vizepräsidenten von Tempress namens Bob Reutimann Apples Notlage, und dieser erinnert sich: „Ich fragte mich: ‚Hat der eigentlich irgendeine Ahnung, was er tut?‘ Ich hatte ein bisschen Angst, dieses Projekt zu machen. Ich dachte mir: ‚Da kommt wieder so einer mit großartigen Ideen.‘“ Jobs’ Enthusiasmus zahlte sich jedoch ebenso aus wie sein Angebot einer Bonuszahlung von 1.000 Dollar für jede Woche, die die neue Form früher fertig wäre. Die neue Einrüstung wurde gegen Ende 1977 geliefert.
Während die Gründer und die Manager von Apple sich beschnupperten und die wunden Punkte der anderen herausfanden, bauten sie nach und nach gegenseitiges Vertrauen auf. Dieses Vertrauen basierte ebenso sehr auf den Schwächen der Kollegen wie auf ihren Stärken. Es zeigte sich zwar schnell, dass Markkulas erste Absatzprognosen pessimistisch waren, aber es wurde auch klar, dass er sich nun nicht mehr aufs Altenteil verkriechen würde. Jobs’ Wahl des Verfahrens für die Gehäusefertigung, Wozniaks mangelnde Bereitschaft, Entwürfe fertigzustellen, Scotts Weigerung, sich mit Ästhetik herumzuschlagen und Holts gewohnte Pingeligkeit – all das offenbarte persönliche Schwächen.
Die Mischung unterschiedlicher Stammbäume trat bei Diskussionen über wichtige Details wie beispielsweise das System zutage, das für die Nummerierung technischer Bauteile verwendet werden sollte. Alle hatten ihre eigenen Ideen für ein System, das zu fürchterlichen Komplikationen führen konnte, wenn es schlecht konstruiert war. Scott bemerkt dazu: „Wenn man an großen Themen arbeitet, bei denen man nicht alle Antworten kennt, ist es leicht, auf etwas wirklich Winziges auszuweichen, zu dem jeder seinen Senf dazugeben kann. Jobs dachte sich beispielsweise ein phonetisches System aus, in dem eine 632er-Phillips-Kopfschraube als „PH 632“ bezeichnet würde. Das war zwar pfiffig, aber damit wurden Aspekte wie verschiedene Längen oder Unterscheidungen zwischen brünierten Schrauben, Nylonschrauben und Edelstahlschrauben nicht erfasst.
Der Gehäusedesigner Jerry Mannock schlug vor, ein System wie bei Hewlett-Packard einzuführen. Jemand anderes wollte die Verfahren von Atari kopieren. Andere wollten, dass die Teile des Computers von außen nach innen nummeriert werden. Ein paar fanden es natürlicher, sich von innen nach außen vorzuarbeiten. Schließlich verfasste Holt ein fünfseitiges Schriftstück, in dem er ein Verfahren beschrieb, das auf siebenstelligen Zahlen basierte, welche die Teile in Kategorien wie Muttern, Beilagscheiben und speziell angefertigte Halbleiter einteilte. Daran hielt man sich mit religiösem Eifer: „Wenn es zu einer Bauteilnummer keine technische Zeichnung und keine technische Spezifikation gab, dann war es keine technische Bauteilnummer. Dann konnten die einen mal.“
Sie begannen, Marotten und Eigentümlichkeiten zu akzeptieren, und lösten ein paar kleinere Verwirrungen auf. Da Anrufer immer wieder nach Mike fragten – ohne zu sagen, ob sie mit Markkula oder mit Scott sprechen wollten –, behielt Ersterer seinen Namen, während Letzterer Scotty genannt wurde. Wenn ein launischer Zeilendrucker den Dienst versagte, wusste jeder, wer die Dose mit Vaseline hütete, mit der die Rolle geschmiert wurde. Alle lernten, Holts Kettenrauchen und die nervigen Vogelpfeifen von Fernandez sowie die gelegentlichen Bahai-Feiertage zu tolerieren, an denen er sich freinahm. Sie kamen mit Jobs’ launischem Auto und mit seinen Beschwerden zurecht, dass die erste Weihnachtsfeier von Apple nicht mit vegetarischem Essen veranstaltet werden konnte. Scott war auch entzückt, als er von Jobs’ persönlicher Kur gegen Müdigkeit erfuhr: Er ließ sich die Füße von einer Klospülung massieren.
Diese
Weitere Kostenlose Bücher