Apple - Die Geburt eines Kults
Zuverlässigkeit, konnte sich niemand mit IBM messen. Im Jahr 1956 kontrollierte IBM mehr als drei Viertel des USAMERIKANISCHEN Marktes und ein entnervter Konkurrent seufzte: „Es bringt ja nichts, eine bessere Mausefalle zu bauen, wenn der andere Mausefallenverkäufer fünfmal so viele Vertreter hat.“
Ein Jahrzehnt später wurde IBM um eine Computerfamilie herum, die die Nummer 360 bekam, sozusagen neu aufgebaut. Als Ende der 1960er-Jahre Leasing-Gesellschaften aus dem Boden schossen, die als Mittler zwischen Fabrik und Abnehmer fungierten, attackierte IBM sie heftig. Als die sogenannten steckerkompatiblen Hersteller Anfang der 1970er-Jahre begannen, auf den Markt für Peripheriegeräte auszuweichen, reagierte IBM aggressiv. Als andere Mainframe-Unternehmen Mitte der 1970er-Jahre leistungsstarke Maschinen einführten, senkte IBM die Preise und veränderte dadurch die Preisstruktur der Branche.
Es gab nur zwei auffallende Ausnahmen: IBM hatte es nicht geschafft, mit Xerox gleichzuziehen, als es versuchte, Kopierer zu verkaufen, und auch am Minicomputermarkt, der von Unternehmen wie EEC, Data General und Hewlett-Packard dominiert wurde, hatte es nur die zweite Geige gespielt. Diese beiden Beispiele, also die Ausnahmen von IBMs charakteristischer Durchsetzungsfähigkeit, machten den Personal-Computer-Herstellern Hoffnung. Aber die Sachlage war eindeutig: Jedes Mal, wenn die Manager von IBM fanden, andere Unternehmen würden ihr Geschäft bedrohen, schlugen sie wild und mit einer Rücksichtslosigkeit zurück, die sich hinter einer freundlichen Fassade verbarg. Wenn IBM von anderen Unternehmen bedroht wurde, war es in allen Jahrzehnten seiner Geschichte so, dass es irgendwann mit ihnen konkurriert und meistens gegen sie gewonnen hatte. IBM hatte es zur Kunstform erhoben, der Vergangenheit zu trotzen, und keines seiner Opfer hatte ihm je vorgeworfen, es würde sich brüderlich verhalten.
Und so war es auch bei dem Personal Computer von IBM. Er brachte nichts Neues, aber er war beeindruckend. Der Apple II war zwar schon vier Jahre alt, aber er war eleganter als die IBM-Maschine. Der Apple war besser, er nahm auf dem Schreibtisch weniger Platz ein, er war nicht annähernd so schwer und er brauchte kein Gebläse. Dank der Jahre, die vergangen waren, hatte der IBM eine bessere Tastatur und mehr Arbeitsspeicher. Er kopierte einige Merkmale des Apple II, zum Beispiel die Erweiterungssteckplätze und die Grafik.
Das Beeindruckendste an der Modelleinführung von IBM war nicht der Computer, sondern dass sich dieses gewaltige Unternehmen so flink bewegt hatte. IBM hatte eine kleine Arbeitsgruppe eingerichtet, die in 13 Monaten das schaffte, was Apple mit dem Apple III augenscheinlich misslungen war. IBM griff massiv auf Außenstehende zurück. Bei der Produktplanung wurden Außenstehende herangezogen und Außenstehende lieferten Software. Das IBM-Betriebssystem wurde von Microsoft entwickelt – dem Unternehmen, das an Apple eine BASIC-Version für den Apple II lizenziert hatte. Personal Software machte Visicalc auf dem IBM-Computer lauffähig und die Repräsentanten des seriösen Amerika verhandelten sogar mit einem verurteilten Straftäter in Gestalt des ehemaligen Phone-Phreaks John Draper, der seine Textverarbeitung Easywriter, die er ursprünglich für den Apple II geschrieben hatte, portierte. Auch der Mikroprozessor, der ebenso wie die des Apple II und des Apple III – trotz gegenteiliger Behauptungen von IBM – ein 8-Bit-Chip war, wurde von Außenstehenden geliefert. Außenstehende lieferten die Speicherchips, den Drucker und das Diskettenlaufwerk.
IBM, das sich bisher immer auf seine Armee von Vertretern verlassen hatte, kündigte außerdem an, es würde den Personal Computer in Geschäften wie Computerland und Sears Business Machines verkaufen. Der Grundpreis des Computers lag zwischen dem des Apple II und des Apple III. Der Elektronikanalyst Ben Rosen bemerkte dazu: „Anscheinend ist dies das richtige Gerät zum richtigen Preis mit dem richtigen Marketingansatz für die richtigen Märkte.“
Bei Apple schienen weder Vergangenheit noch Gegenwart etwas zu zählen. Das Unternehmen begrüßte die Ankunft des Personal Computers von IBM mit einer ganzseitigen Anzeige, die nach aufrichtigem Wohlwollen und in den Augen mancher nach Herablassung roch: „Willkommen IBM. Im Ernst. Willkommen auf dem aufregendsten und wichtigsten Markt seit Beginn der Computer-Revolution vor 35 Jahren. […] Wir freuen uns auf einen
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