Applebys Arche
alle Ewigkeiten Schlagball gespielt, und jeder Ball wäre
ins Aus gegangen. Der Wind, der flach über die Wasseroberfläche blies,
raschelte darin, als befühle er sie mit vorsichtigen Fingern, drehte sie,
schichtete sie auf wie Kanonenkugeln, warf sie versuchsweise ein paar
Zentimeter in die Luft. Die kleineren unter den leichten, graubraunen
Kugeln machten erste Hüpfer auf dem Strand – linkisch wie Sandläuse oder
schlecht geschnippte Märkchen beim Flohhüpfen. Und weit hinten begann etwas,
das Appleby für einen Stein gehalten hatte, sich zu regen und zu flattern,
ein schwarzer Wimpel, der plötzlich im Wind flatterte. Er rief den anderen
etwas zu. Und alle liefen dorthin.
Mrs. Heavens schwarzer Rock lag, vom Wasser durchweicht, auf dem
Sand; in einer Pfütze zwischen den Felsen fanden sie einen durchnäßten
Unterrock; weit draußen auf dem anscheinend ruhigen und unter der Oberfläche
doch fließenden Wasser schwamm grotesk ein einzelner Stiefel. Hailstone
kam herangeschnauft und zeigte aufgeregt auf etwas. Im Sand war eine tiefe
Rinne, wie das stumpfe Messer eines Riesen sie hinterlassen hätte. Appleby
blieb stehen und überlegte, was das sein konnte. »Kanu«, klärte Hailstone ihn
auf. Er betrachtete die Rinne. »Und ein großes.«
Appleby nickte. »Es muß ein großes sein, wenn sie damit hundert
Meilen übers Meer fahren.« Er blickte hinauf zum Himmel, wo sich geheimnisvoll
vom Zenit her ein Kupferton ausbreitete. »Und die Ärmste wird eine stürmische
Überfahrt haben. Ein Jammer, daß Miss Busst nicht dabeisein und ihr
Gesellschaft leisten kann.« Er blickte hinaus aufs Meer, so besorgt wie es der
Anstand gebot. »Je früher Ihr Handelsschiff wieder hier vorbeikommt, desto
besser. Und wenn sie sie wirklich mitgenommen haben, macht das alles ja noch
komplizierter, nicht wahr? Da können wir die Sache nicht einfach vertuschen. Es
muß nach ihr gesucht werden.«
Hailstone nickte – ein wenig zögernd, als sei ihm dieser Aspekt
jetzt erst aufgegangen. »Selbstverständlich.« Er konsultierte seine Taschenuhr.
»Hätten Sie Zeit für ein Mittagessen?«
»Ich glaube nein; zuerst müssen wir die Dinge im Hotel besser
organisieren. Aber am Nachmittag – wenn das Unwetter, das da heraufzieht, mich
nicht abhält – komme ich noch einmal vorbei.« Appleby wartete – wartete, bis
Hailstone ihn ansah. Dann setzte er ein geheimnisvolles Lächeln auf. »Wir beide
müssen uns noch ein wenig unterhalten.«
»Unbedingt.« Der Mann war verblüfft.
»Lange werden sie sie nicht am Leben lassen, fürchte ich.
Reiseproviant, mehr nicht.«
Hailstone nickte, auch wenn er ein wenig schockiert dreinblickte.
»Warum also unnötige Aufregung? Gemeinsam werden wir die Sache schon
regeln.« Appleby besiegelte es mit einem kleinen Grinsen – so verschwörerisch
er konnte – und machte sich dann auf den Rückweg zum Hotel.
Kapitel 19
Colonel Glover stellte sein Glas Zitronenwasser ab. »Wie sind
Sie der Wahrheit auf die Spur gekommen?«
Appleby und seine Gefährten saßen zusammen mit Sir Mervyn Poulish in
einer Ecke der Veranda beim improvisierten Mittagessen. Mudge bediente sie. Und
aus dem Haus kamen die aufgeregten und vorwurfsvollen Stimmen der anderen
Gäste.
»Die Wahrheit? Die weiß ich noch lange nicht.« Appleby lächelte
grimmig. »Vielleicht sind wir alle tot, bevor ich soweit bin, verschlungen von
den Kannibalen aus Dunchues Phantasie.«
Hoppo biß um so beherzter in sein Sandwich. »Dunchue?« fragte er mit
vollen Backen. »Dunchue und nicht Hailstone?«
»Eindeutig. Dunchue ist der Anführer. Hailstone, müssen Sie wissen,
ist kein Weißer; er hat indisches Blut in den Adern und gehört damit für
Dunchue zu den minderen Rassen. Er hat es ihm deutlich genug zu verstehen
gegeben – ich saß dabei. Die beiden arbeiten gut zusammen, aber daß sie sich
deswegen mögen, würde ich nicht sagen.«
Glover sah ihn zweifelnd an. »Inder? Das kann ich gar nicht glauben …«
»Er nimmt nie seine blaue Sonnenbrille ab. Einmal, als Diana und ich
im Bungalow waren, war er im Begriff es zu tun, doch als er uns sah, zog er
statt dessen den Panamahut. Aber bei unserer ersten Begegnung am Strand, als er
mich genau studierte, da setzte er die Brille ab. Ich fand ihn verwirrend. Er
paßte nirgendwohin, könnte man sagen. Dann durchwühlte ich seinen Schreibtisch
und fand eine Opiumpfeife und eine Dose, in der höchstwahrscheinlich Opium war.
Das war für mich der Beweis. Er hat gewiß seit Jahren in England
Weitere Kostenlose Bücher