Aqualove
zuhalten können. Stattdessen zog ich es vor, einfach alles auszublenden. Ich wollte hier nicht bleiben. Aber ich wollte noch weniger weg von hier. Meinen Gipsarm hatte ich in der Schlinge unter meinen Körper gezogen. Ich merkte, wie Ethan sich zu mir aufs Bett setzte und seine Hand auf meine Seite legte.
„Nia, was ist los?“
Ich wusste selbst nicht, was los war.
„Wovor hast du Angst?“
„Vor allem.“ Ich hatte schneller geantwortet, als ich eigentlich wollte.
Ethan seufzte. „Wir sind zusammen, Nia. Endlich zusammen.“ In seiner Stimme hörte ich die Dringlichkeit, mit der er mir Mut machen wollte.
„Wie lange noch?“
Ethan klang erschrocken: „Was meinst du?“
„Bei deinen Leuten stehe ich immer noch auf der Abschussliste. Wie lange werden sie warten, bis sie die Nächsten schicken, die mich holen kommen?“
„Nia. Sie haben keinen Zugang zu deinem Körper gefunden.“
„Und ich habe keine Ahnung, warum. Vielleicht klappt es ja beim zweiten Mal.“
Ethan wusste, dass ich recht hatte, und sein Schweigen war so beredt, dass es sich wie eine Klammer um mein Herz legte.
„Vielleicht geben sie auf ...“
„Vielleicht wird der Papst auch zum Islam bekehrt. Sie werden mich verfolgen, und ich weiß nicht einmal, wann es so weit ist.“
„Ich kann Informationen einholen.“
„Ha! Du glaubst doch nicht, dass dein Volk dich noch mit offenen Armen empfangen wird, nachdem du dich gegen den Schwarm und für mich entschieden hast. Was soll aus dir werden, Ethan? Oder wirst du weiter Menschen jagen, als ob nichts passiert sei?“
Mit einem unergründlichen Blick sah Ethan mich an, als durchschaute er jede Faser meines Seins, bevor er mit fester Stimme antwortete: „Nein. Die Dinge müssen sich ändern. Ich werde meine Technologie nicht mehr zur Verfügung stellen. Mein Volk wird sich gegen mich wenden. Aber ich bin sicherlich nicht mehr der Einzige, der das Wissen und das Know-how besitzt, DNA zu entschlüsseln. Ich besitze allerdings noch die umfangreichsten Datenbanken. Dieses Material ist nicht auf die Schnelle zu beschaffen, sodass es sicherlich eine Zeit lang dauern wird, bis sie weiter jagen können.“
„Wir gewinnen also Zeit?“
„Ja.“
„Was wirst du jetzt tun, Ethan?“
Die Frage schien ihn zu amüsieren. Mit leicht hochgezogenen Mundwinkeln und einem Funkeln im Blick ließ er mich wissen: „Ich werde mit dir zusammen sein. Alles andere wird sich finden. Immerhin muss ich nicht von morgen an Hunger leiden.“
Er hatte recht. Aber was war mit dem Rest der Welt? Was war mit mir? Ich hatte keine Millionen auf der hohen Kante. Seit einigen Wochen war für mich nichts mehr so, wie es früher war. Ich hatte mich verliebt und gleichzeitig festgestellt, dass ich vollkommen allein war. Ich dachte an Alex.
„Was wird aus mir, Ethan?“
„Du wirst wieder arbeiten, so wie früher.“ Er klang so sicher. Ich wusste es besser.
„Wie denn?“ Trotzig hielt ich ihm meine kaputte Hand hin.
„In zwei bis drei Wochen nehme ich dir den Gips ab, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit.“
Eine Frage der Zeit. Genau. Ich würde Keeler anrufen, der sich entweder nicht mal mehr an meinen Namen erinnern konnte oder einen kompletten Anfall bekommen würde, weil ich seit einem Monat verschwunden war und nichts von mir hatte hören lassen. Dann würde ich ihn Mitleid heischend davon in Kenntnis setzen, dass ich momentan ohnehin nicht schreiben konnte. Ich verzichtete darauf, mir die Schimpftiraden mit seinem hochroten Gesicht dabei vorzustellen. Das alles war genau die Fahrkarte in die Arbeitslosigkeit, die ich mir in meinen schlimmsten Albträumen immer ausgemalt hatte. Dazu würde ich tatenlos zu Hause sitzen müssen, mich zu Tode langweilen oder versuchen, mich als schreibunfähige Journalistin bei anderen Arbeitgebern anzudienen. Am Monatsende würde ich mich fragen müssen, wie ich die Miete und das Wasser bezahlen sollte. Es war deprimierend.
„Deine Freunde werden dich vermisst haben“, fügte er beschwörend hinzu.
„Klar. Nachdem ich einige Wochen von ihrem Radar verschwunden bin, werde ich sie als Erstes fragen, ob es sie stört, dass ich der einzige Mensch in der fröhlichen Dreierrunde bin; dass ich wahrscheinlich der einzige Mensch in unserer Stadt bin“, motzte ich.
Konnte sich Ethan überhaupt vorstellen, wie es war, allein zu sein? Wie einsam ich mich fühlte? Levent war seit seiner seltsamen Andeutung an meinem Krankenbett verschlossen wie eine Auster. Ich wusste
Weitere Kostenlose Bücher