Arabiens Stunde der Wahrheit
Diktator guten Mutes sein konnte. Mit Hilfe seines gewaltigen Waffenarsenals, einer weitgehend loyalen Truppe und eines Aufgebots an schwarzafrikanischen Söldnern, die mehrheitlich aus dem Tschad, Niger und Sudan stammten und ein Drittel seiner Streitkräfte ausmachen sollten, hoffte er, die hier und dort aufflackernde Revolte ersticken zu können.
Es gruselt einen ein wenig, wenn man die Botschaften einsieht, die die angelsächsischen »spooks« mit dem Spionagechef der ÂJamahiriya austauschten, mit Mussa Kussa, der als einer der mächtigsten und gefährlichsten Männer des Zwangsregimes galt. In Langley betrachtete man den »rogue state« Libyen als einen zuverlässigen Verbündeten im Kampf gegen den Terrorismus. Inzwischen ist aufgrund von Dokumenten, die in der Befehlszentrale von Bab el-Aziziya gefunden wurden, allgemein bekannt worden, daà der damalige Operationschef der CIA, Stephen Kappes, sich mit der Anrede »lieber Mussa« an seinen libyschen Kollegen wandte und mit ihm über die Verhöre mutmaÃlicher salafistischer Aufrührer verhandelte. Wie die CIA es mit Marokko, Ãgypten, Syrien und leider auch Polen vereinbarte, wurde Tripolis eine Station der sogenannten»Rendition«, der Auslieferung von Verdächtigen an berufsmäÃige Folterer, die mit Methoden arbeiteten, die selbst den Spezialisten von Langley widerstrebten.
In diesem Zusammenhang muà erwähnt werden, daà die Amerikaner ihrerseits nicht zimperlich waren, wenn es galt, Torturen durchzuführen. So wurde zur Zeit des Verteidigungsministers Rumsfeld und vermutlich auch danach das sogenannte »water boarding«, das Eintauchen des Gefangenen in Wasser bis an den Rand des Ertrinkens, offiziell genehmigt. Von den sadistischen Exzessen von Abu Ghraib im Irak und Bagram in Afghanistan soll dabei gar nicht die Rede sein. Eine ähnliche Prozedur des Untertauchens war von der Gestapo unter anderem in Frankreich angewandt worden und von der »Résistance« als »baignoire«, als Badewanne, bezeichnet worden. Es soll auch nicht verschwiegen werden, daà in Algerien französische Offiziere, die seinerzeit selbst von den Deutschen auf diese Weise gequält wurden, gegen verdächtige Algerier ähnlich vorgingen. Einer der laut CIA Hauptverantwortlichen für die Attentate von »Nine Eleven«, der Balutsche Khaled Scheikh Mohammed, wurde von den CIA-Experten mehr als hundert Mal dem »water boarding« unterzogen. Schon nach dreimaliger Anwendung dieser Folter würde ein gewöhnlicher Sterblicher gestehen, daà er John F. Kennedy und Martin Luther King ermordet habe.
Bemerkenswert bei dieser schändlichen Kooperation zwischen Washington und Tripolis bleibt der Fall des Libyers Abdulhakim Belhadj, der bereits auf seiten der Mujahidin in Afghanistan gegen die Russen gekämpft hatte und in der Jamahiriya eine revolutionäre »Islamische Kampfgruppe« gründete. Nachdem er von Malaysia an die libyschen und amerikanischen Dienste ausgeliefert worden war, verbrachte er eineinhalb Jahrzehnte in dem schlimmsten Kerker des »lieben« Mussa Kussa, um dann in das berüchtigte Abu-Salim-Gefängnis transferiert zu werden, wo im Jahr 1996 mindestens 1200 Häftlinge erschossen wurden. Während seiner qualvollsten Befragungen, bei denen er mehrfach in Ohnmacht fiel, waren die Agenten der CIA zugegen. Um die Prekarität des »neuen Libyen« zu ermessen, das von Qadhafi befreit wurde, sollte erwähnt werden,daà Abdulhakim Belhadj nach der Eroberung der Hauptstadt Tripolis durch die »Thuwar« sich als Oberkommandierender der »Freiheitskämpfer« durchgesetzt hat und zweifellos eine entscheidende Rolle bei der Neugestaltung des Landes spielen wird.
Muammar el-Qadhafi hatte nicht damit gerechnet, daà seine angelsächsischen Komplizen nach dem Ãbergreifen der Rebellion auf Libyen schon am 26. Februar 2011 im UN-Sicherheitsrat die Verhängung von Sanktionen verfügen würden, daà nach der Einnahme der Stadt Bengasi durch die Aufständischen und dem Abfall der ÂCyrenaika der Westen gegen seine Zwangsherrschaft Stellung beziehen würde. Die dramatischen Ereignisse der ersten Phase des Kampfes um Libyen seien hier nur kurz notiert. In Bengasi bildete sich aus Regimegegnern und Opportunisten ein »Nationaler Ãbergangsrat« unter dem Vorsitz des früheren Justizministers Mustafa Abdel Jalil. Der
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