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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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der Übersetzung. Im Gegensatz zu seinem Vater zeigte dieser sich nur in der britischen Eleganz von Saville Row. Seif el-Islam freundete sich mit Prinz Andrew aus dem Hause Windsor an. Er kontrollierte diverse einträgliche »Holdings«, die in der »Qadhafi-Foundation« zusammengefaßt waren. Besonders enge Beziehungen knüpfte die Jamahiriya zu führenden Politikern aus Südafrika und Burkina Faso.
    Die libysche Investitions-Gesellschaft Laaico war in 25 Ländern tätig. In der Republik Mali entstanden fünf Luxushotels. Dank der Gründung eines »joint venture« unter dem Namen Malibya wurden hunderttausend Hektar Savanne zum Anbau von Reis, Zuckerrohr und Mais erschlossen. Auch der Name Timbuktu taucht in dieser Einflußnahme auf, denn dort ließ Seif el-Islam, um den Zugang zum Niger-Strom wiederherzustellen, einen Kanal von vierzehn Kilometer Länge aus dem Sand schaufeln. Der im Westen geschmähte Despot von Zimbabwe, Robert Mugabe, gehörte zu den engsten Freunden des libyschen Regimes. Daß der Revolutionsführer auch an den heillosen Zuständen in der ostsudanesischen Provinz Darfur beteiligt war, wird durch seine enge Bindung an seinen ehemaligen Gegner, den Präsidenten der Republik Tschad, Idriss Déby, verdeutlicht. Déby gehört dem wichtigsten der in Darfur gegen das Regime von Khartum aufbegehrenden Stämme an und hat angeblich ein beachtliches Kontingent seiner Tschad-Soldaten zur Unterstützung des befreundeten Diktators ausgeschickt, als sich 2011 der »libysche Frühling« abzeichnete. Von englischen Studenten nach seinem Urteil über die Massaker in Darfur befragt, hat Qadhafi geantwortet, daß es sich dabei in erster Linie um eine tribale Angelegenheit handele. »Der Ursprung dieses Konfliktes warder Streit um ein Dromedar«, fügte er schnoddrig hinzu, »ein Konflikt, der sich zu einer internationalen Streitfrage steigerte.«
    Was nun seine angebliche Absicht betrifft, Europa zum Islam zu bekehren, so beteuerte er vor einem wohlwollenden Forum in Rom, daß er niemals ein solches Vorhaben verfolgt habe. Vor seinen Glaubensbrüdern an der sakralen Stätte des Islam von Timbuktu führte er jedoch eine ganz andere Sprache. »Der Glaube Mohammeds wird über alle anderen Religionen triumphieren, ob das den Christen und Juden gefällt oder nicht«, so äußerte er sich. »Um den Islam zu verbreiten, brauchen wir weder das Schwert noch die Bombe. Fünfzig Millionen Muslime leben bereits in Europa, und binnen weniger Dekaden werden sie Europa in einen islamischen Kontinent verwandeln. Gott wird es fügen, daß die Türkei der Europäischen Union beitritt, und die Zahl der europäischen Muslime wird auf weit über hundert Millionen anwachsen. Das gleiche gilt für Bosnien, dessen Bevölkerung zu fünfzig Prozent muslimisch ist. Die Statistiken zeigen, daß es Tausende von Moscheen in Europa gibt und daß die koranischen Organisationen sich dort rapide vermehren. Europa und die Vereinigten Staaten stecken in einer Falle: Entweder akzeptieren sie, daß sie in Zukunft islamische Nationen werden, oder sie müssen den Muselmanen den Krieg erklären.« Gegen Ende seines »Grünen Buches« behauptet Qadhafi, daß »die Schwarzen eines Tages die Welt beherrschen werden«, wozu der libanesische Autor Alexandre Najjar in einer vorzüglichen Studie ironisch bemerkt, diese Prophezeiung sei bereits in Erfüllung gegangen, seit Barack Obama zum Präsidenten der größten Weltmacht gewählt wurde.
    Das Ballett der Geheimdienste
    Alsdie »Arabellion« Mitte Februar auch auf Libyen übergriff, hatte Qadhafi, der »Bruder-Führer«, wie er sich nennen ließ, einen triftigen Grund, der Zukunft mit Gelassenheit entgegenzusehen. Die Unruhen waren vor allem in der Cyrenaika ausgebrochen, und die drittwichtigste Küstenstadt der Jamahiriya, Misrata, war von Aufständischen eingenommen worden. Doch in der Hauptstadt Tripolis wurden die Protestkundgebungen schnell unter Kontrolle gebracht. Wie sich später herausstellte, waren seit dem Jahr 2004 die Beziehungen zwischen der amerikanischen CIA und dem britischen Auslandsgeheimdienst MI-6 einerseits, dem libyschen Mukharabat andererseits so intensiv geworden, diese seltsamen Partner hatten sich so einstimmig auf die Bekämpfung des radikalen Islamismus und »El Qaidas« eingeschworen, daß der

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