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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Flugplätze zur Verfügung. Die Vereinigten Staaten nahmen eine überraschend zurückhaltende Position ein. Sie übertrugen dem NATO-Oberkommando diese Operation, im wesentlichen ihren französischen und britischen Partnern, und intervenierten, wenn das nötig war, wie bei der Vernichtung der libyschen Luftabwehr. Von nun an sollten die Europäer – so hatte schon der Secretary of Defense Robert Gates argumentiert –, wenn ihre unmittelbare Umgebung betroffen war, auf die äußere Bedrohung mit eigener Kraft reagieren, wobei jedermann wußte, daß die militärischen Kapazitäten der EU für einen sich länger hinziehenden Feldzug gar nicht vorhanden waren. Auch der französische Flugzeugträger »Charles de Gaulle«, der sehr bald aufkreuzte, war nicht für einen sich über Monate hinschleppenden Einsatz geeignet.
    Die Aufständischen hatten sich inzwischen in verschiedene Trupps oder »Kataeb«, die arabische Mehrzahl von »Katiba«, zusammengeschart. Auf ihren Pickups meist von der Marke Toyota hatten sie schwere Maschinengewehre und Panzerabwehrwaffen montiert und preschten ohne sinnvolle Planung entlang der Kü­stenstraße vor, auf der einst das Afrikakorps Rommels versucht hatte, bis Kairo durchzubrechen. Sehr weit kamen sie nicht. Die hohen Verluste in ihren Reihen wurden oft durch elementaren Mangel an Disziplin und leichtsinniges »friendly fire« verursacht. Dieanglo-französischen Luftangriffe, bei denen sogenannte Kollateralschäden möglichst niedrig gehalten werden sollten, richteten sich gegen die Qadhafi-Truppen. Bei Nacht wurden die befestigten Stützpunkte und Befehlszentralen mit großer Präzision bombardiert. Aber diese Aktion war sehr bescheiden im Vergleich zu den gigantischen Mitteln, über die die U.S. Air Force im Irak oder in Afghanistan verfügte. Die Bodenkämpfe zogen sich in die Länge, und schon war die Rede von Geheimverhandlungen, um Qadhafi zu einer Feuereinstellung zu bewegen. Bei Franzosen und Engländern kam zeitweise die Befürchtung auf, das ganze Unternehmen könnte ähnlich kläglich enden wie die Suez-Kampagne der Entente-Mächte des Jahres 1956.
    Es schien sich zu bestätigen, daß ein Krieg selbst bescheidenen Ausmaßes nicht aus der Luft allein zu gewinnen war. »You have to put the boots on the ground«, hieß eine Maxime der U.S. Marines. »Man muß die Stiefel auf dem Boden haben.« Doch Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron zeigten sich resoluter als erwartet. Sie kümmerten sich nicht um die ursprüngliche Auftragsbegrenzung der Vereinten Nationen. In aller Heimlichkeit waren ihre Elite-Kommandos zu den Thuwar und ihren vierzig Kataeb gestoßen, um ihnen die Grundregeln des infanteristischen Kampfes beizubringen. Der britische »Special Air Service« konnte an eine lange Tradition anknüpfen. Die Franzosen griffen auf naturalisierte und loyale Angehörige ihrer »Forces spéciales« aus Nordafrika zurück, die ohne Aufsehen infiltriert wurden. Die Amerikaner waren mit bewährten Angehörigen ihrer Sondereinheiten zugegen. Um dem Waffenmangel der Rebellen abzuhelfen, warfen französische Transportflugzeuge Munition und Granatwerfer an Fallschirmen ab.
    Im Verbund mit den Alliierten des Atlantikpaktes war ein ara­bischer Verbündeter auf den Plan getreten, der schon öfter für manche Überraschung gesorgt hatte. Scheikh Hamad Ben Khalifa el-Thani, absoluter Herrscher über das winzige, aber im Petro­leumreichtum schwimmende Emirat Qatar, hatte sich in die vorderste Front gegen Qadhafi eingereiht. Dieser Ministaat am Per­sischenGolf verfügt über ein Territorium, das einem Drittel Belgiens entspricht. Die Untertanen der allmächtigen Dynastie el-Thani sind nicht zahlreicher als zweihunderttausend, aber unter dem Sand dieser Halbinsel schlummern unermeßliche Mineralvorkommen. Scheikh el-Thani hat ein halbes Dutzend seiner Mirage-Kampfflugzeuge in den Himmel über Libyen entsandt sowie eine Reihe von angeblichen Militärberatern nach Bengasi. Vor allem griff er dem dortigen »Nationalen Übergangsrat« mit großzügiger Finanzhilfe unter die Arme. Das Engagement des Scheikh el-Thani war für die europäischen NATO-Partner, die immer noch im ­Geruch des Kolonialismus standen, extrem vorteilhaft. Er war der Garant und das Signal einer arabischen

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