Arabiens Stunde der Wahrheit
der äthiopischen Armee sowie der multinationalen Kontingente der Afrikanischen Union ausgeliefert sieht, wurde â das sollte man in diesem Zusammenhang nicht vergessen â als Mitglied der Arabischen Liga anerkannt. Hier wie im nahen Jemen hat die CIA längst eine Serie von gezielten Anschlägen gegen angebliche El-Qaida-Anführer ausgeführt und bedient sich dabei unbemannter Drohnen â zumal vom Typ »Predator« â, deren Vernichtungspräzision einem technischen Wunder gleichkommt. Aber an eine Landung von U.S. Marines ist hier nicht zu denken. Die U.S. Army wäre überhaupt nicht in der Lage, am Horn von Afrika und an den Gestaden des Gegenufers einen zusätzlichen Feldzug zu führen und auch nur den Anschein einer Pax Americana zu erzwingen.
Was nun die afrikanische Hilfstruppe betrifft, die mit dem Segen der Vereinten Nationen aus Uganda, Kenia, Ãthiopien und Ruanda eingeflogen wurde, um ein Minimum an Ordnung zwischen MoÂgadischu und Berbera zu gewähren, so gebe man sich keinen Illusionen hin. Somalia ist der Hungersnot, hemmungsloser Plünderung und der Vergewaltigung seiner Frauen ausgeliefert. An diesen Greueln, so stellten neutrale Experten vor Ort fest, sind die Truppen der von Amerika unterstützten Scheinregierung, die Banden der diversen Warlords, die Schabaab, aber auch die Friedensstifter der Afrikanischen Union beteiligt.
Der Hafen von Aden war noch im Zweiten Weltkrieg eine maritime Trutzburg des Empire, errichtet nach dem Prinzip: »Britannia, rule the waves«. Wer hätte sich damals vorgestellt, daà somaliÂsche Fischer mit ihren primitiven Dhaus zu Beginn des einundzwanzigÂsten Jahrhunderts in der Lage wären â allen High-Tech-Aufklärungspotentialen der U.S. Navy und ihrer Verbündeten zum Trotz â, das Meer von Oman und die Arabische See bis weit in den Indischen Ozean durch zahllose Piratenakte heimzusuchen? ArabischerFrühling? Arabische Freiheit? Arabisches Erwachen? Die Worte haben hier bereits jeden Sinn verloren. Am strategischen Berührungspunkt zwischen der arabischen Halbinsel und dem Osthorn Afrikas, in Somalia, beginnt â durch das mächtige äthiopische Hochland unterbrochen â jener breite, spröde Sahel-Gürtel, der sich über die Niger-Schleife bis zum Atlantik hinzieht. Die dortigen Staaten und Völker â so scheint es â gleiten bereits in den heillosen Wirrwarr ab, der bei ihren arabischen Nachbarn und Glaubensbrüdern um sich greift. Auch der Sahel wartet auf seine Stunde der Wahrheit.
Irak
Freude am Martyrium
Betonmauern und Bodyguards
Bagdad, Oktober 2010
DerIrak ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Zum Zeitpunkt dieser Niederschrift wird die Schnellebigkeit, aber auch die Oberflächlichkeit unserer Welt an Tigris und Euphrat bloÃgestellt. In den westlichen Regierungskreisen täuscht man vor, der Kampf um Mesopotamien, der die Welt drei Jahrzehnte lang in Aufregung, in Empörung und trügerische Zuversicht stürzte, sei bereinigt, sei ausgestanden. Das Gegenteil ist der Fall. Der Irak kann jederzeit von neuem Blutbad und von internationalen Verwicklungen heimgesucht werden.
An den üblichen Warnungen hatte es nicht gefehlt. Die normalen europäischen Geschäftsleute und Diplomaten â von den Amerikanern ganz zu schweigen â lassen sich von hochbezahlten Bodyguards schützen, die ihnen für tausend US-Dollar pro Tag zur Verfügung stehen und bereits am Flugplatz mit gepanzerten Limousinen warten. Der Aufenthalt dieser Ausländer, der meist kurz befristet ist, bleibt im allgemeinen auf die sogenannte Green Zone beschränkt, wo sich neben der riesigen US-Botschaft sämtliche irakischen Ministerien und das Parlament hinter einem festungsähnlichen Schutzsystem eingebunkert haben. Das Hotel »Palestine«, in dem die ausländischen Medienvertreter durch Betonwälle abgeschirmtwaren, wird in diesem Herbst 2010 einer längst fälligen ÂSanierung sowie zusätzlichen SicherheitsmaÃnahmen unterzogen und ist uns nicht zugänglich.
Es gibt auch andere Möglichkeiten zu überleben. Man muà sich auf ein paar zuverlässige irakische Kollegen verlassen. In diesem Fall kann ich auf Angestellte einer angelsächsischen Nachrichtenagentur zurückgreifen. Am besten läÃt man sich von einem unauffälligen Fahrer in einem schäbigen Auto am Airport
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