Arabiens Stunde der Wahrheit
Militäroperation. Die jordanischen Jagdbomber verfügten nun über die Luftherrschaft und brachten die gegnerischen Bodentruppen mühelos zum Stehen.
An diesem entscheidenden Tag war ich am frühen Morgen von Amman in Richtung Damaskus gestartet. Am Nachmittag erreichte ich die Grenzstation, wo die sporadischen Kämpfe andauerten. Es wurde heftig geschossen. Auf den südlichen Höhen waren sandfarbene Panzer der königstreuen Armee Husseins aufgefahren, die ihre Granaten in die vermeintlichen Stellungen der syrischen Vorhut abfeuerten. Die Zollstation stand in Flammen. Ich zahlte Âmeinem Chauffeur eine Prämie von 300 US-Dollar, damit er durch die feindlichen Linien brauste. Jenseits der Grenze ging das aggressiveSpiel schnell zu Ende. Nur verstreute Gruppen palästinensischer Fedayin â buntscheckig uniformiert und mit Kalaschnikows oder Panzerfäusten bewaffnet â bauten sich in martialischer Haltung auf. Sie hüteten sich, den Kämpfen zu nahe zu kommen. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich die Demütigung der Niederlage.
Die Strecke nach Damaskus brachten wir ohne Probleme hinter uns. Die Hauptstadt selbst schien von ihren Einwohnern verlassen. Eine seltsame, unheimliche Ruhe hatte sich über die Omayyaden-Metropole gesenkt. Es gelang mir, Kontakt zu einem Beamten der deutschen Botschaft aufzunehmen, und wir entdeckten tatsächlich ein geöffnetes Restaurant, »Le Vendôme«, in dem sich ein paar schweigsame, geheimnisvoll tuschelnde Gäste aufhielten. Der Luftwaffengeneral Hafez el-Assad, so erfuhren wir, hatte am Vortag erfolgreich geputscht und Ministerien besetzen lassen. Die ultralinken Hasardeure der Zouayen-Clique ständen unter Hausarrest. Schon zwei Monate später gab sich der Löwe von Damaskus als neuer Zaim offiziell zu erkennen, und am 14. März 1971 leistete er â für eine Amtsdauer von sieben Jahren â den Eid als Staatspräsident der Arabischen Republik Syrien.
Dem Chef der PLO hingegen und seinen bewaffneten Milizen blieb nur noch die Flucht ins Ausland. Ãber den sogenannten Arafat-Pfad am Hermon sickerten die besiegten palästinensischen Freischärler der unterschiedlichen Fraktionen in den Südlibanon ein. Dort sollten sie â dieses Mal mit Erfolg â das Manöver Âwieder-Âholen, das in Jordanien an der Entschlossenheit König Husseins Âgescheitert war. Der Weg, der zur Auflösung der libanesischen Souveränität führte, war von nun an vorgezeichnet. Im Abkommen von Kairo, das noch von Gamal Abdel Nasser persönlich patroniert wurde, war den zahlreichen palästinensischen Exilanten, die schon 1948 von den Israeli in die multikonfessionelle Zedernrepublik Âabgedrängt worden waren, lokale Selbstverwaltung und sogar die Unverletzlichkeit ihrer Militärstrukturen innerhalb der Flüchtlingscamps zugestanden worden.
Ich will an dieser Stelle nicht den Ablauf des libanesischen TotenÂtanzes aufzeichnen, der 1975 an einer Tankstelle von Ain Remnaneh,einem Vorort Beiruts längs der StraÃe nach Damaskus, mit einer SchieÃerei zwischen christlich-maronitischen Phalangisten und Milizionären einer pro-irakischen Palästinenserformation begann. Der Bürgerkrieg hat die einstige »Schweiz des Orients« fünfzehn Jahre lang heimgesucht und auf unvorstellbare Weise verwüÂstet. Die Palästinenser â das steht im Rückblick fest â waren das Ferment dieses Untergangs. Im Verbund mit den panarabischen Nasseristen und den linksradikalen libanesischen Parteien unter Führung des Drusen-Emirs Kamal Jumblat, die im »Mouvement National« gebündelt waren, hatten die »Palestino-Progressistes«, wie sie von gewissen französischen Gazetten genannt wurden, die Schlacht um die Hotels und die turmähnlichen Hochhäuser von Beirut â man sprach tatsächlich von einer »bataille des tours« â Anfang 1976 bereits gewonnen.
Die christlichen Maroniten, jene kämpferische, mit Rom unierte Konfession, die sich mit eigenen Milizverbänden, den »Kataeb« oder »Phalanges«, ausgestattet hatten, sahen sich in ihrem Ãberleben bedroht. Die Kataeb hatten die eigenen Kräfte sträflich überschätzt. Die »Palestino-Progressistes« drangen tief ins libanesische Gebirge, in die Metn- und Schuf-Bezirke vor, wo die Maroniten sich seit dem frühen Mittelalter gegen die
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