Arabiens Stunde der Wahrheit
Anfechtungen des Islam behauptet hatten. Was diesen Christen bevorstand, hatte der oberste Feudalherr der kriegerischen Drusensekte, Kamal Jumblat, einer Delegation maronitischer Mönche angedeutet: »Ihr seid früher unsere Leibeigenen gewesen, und dieses Schicksal steht euch wieder bevor, falls ihr den Widerstand nicht einstellt. Mindestens ein Drittel von euch wird ohnehin ins Ausland flüchten, und viele werden umkommen.« Im Namen der PLO hatte der SicherheitsÂchef Abu Jihad, der als zweiter Mann Arafats und als sein heimÂlicher Rivale galt, am 23. Mai 1976 öffentlich erklärt: »Unser Weg nach Palästina führt über Jounieh.« Das war die provisorische Hauptstadt der maronitischen Kataeb-Verwaltung.
Der Libanon stand im Begriff â nach der Unterwerfung der christlichen Milizen â, ein Protektorat, eine Ersatzheimat der Palästinenser zu werden. In Beirut war der frühere Stadtkern rund um den»Bordj«, auch »Place des Canons« oder »Place des Martyrs« genannt, bereits in eine surrealistische Ruinenlandschaft verwandelt. Diese Perspektive, die Israel nicht tatenlos hinnehmen konnte, beunruhigte auch den syrischen Präsidenten Hafez el-Assad, der der PLO zutiefst miÃtraute und den in seinem Land befindlichen Palästinensern von Anfang an die Daumenschrauben angelegt hatte. Es kam zu endlosen Palavern innerhalb der Arabischen Liga. Die USA drängten auf eine arabische Schlichtungsintervention. Schritt für Schritt drangen die Syrer ein, erst in die Bekaa-Hochebene und in das Akkar-Gebiet, wo ganze christliche Dörfer von Âihrer Bevölkerung fluchtartig verlassen wurden.
Nach langen orientalischen Bazar-Verhandlungen â die saudischen Petrodollars gaben am Ende den Ausschlag â wurde die Aufstellung einer arabischen Friedenstruppe, der sogenannten Arabischen Abschreckungskraft â bestehend aus Syrern, Libyern, Saudis und Sudanesen â, beschlossen. In Wirklichkeit wurde die syrische Truppenpräsenz legalisiert und das Ungestüm der Palästinenser an die Kandare angelegt. Die einrückenden Regimenter Hafez el-Assads zögerten nicht, das Feuer auf die Freischärler der PLO und deren »progressistische« Freunde zu eröffnen. Von den Christen wurden die bislang beargwöhnten und verhaÃten Syrer als Retter begrüÃt. Die syrische Artillerieunterstützung erlaubte es dann auch den Phalangisten, das Palästinenserlager von Tell el-Zaatar, ein Dorn im Fleisch des christlichen Verteidigungs-Réduits, zu liÂquiÂdieÂren. Es kam zu Massakern, die die PLO wenig später mit der Verwüstung des maronitischen Küstendorfes Dammur beantwortete.
In den folgenden Jahren haben die Syrer, deren Okkupationsarmee am Libanon auf 35000 Mann anschwoll, zwecks Wiederherstellung des konfessionellen Gleichgewichts auch die maronitischen Kataeb unter Beschuà genommen und systematisch eingeengt, Âzumal sich in Jounieh ein kleiner israelischer Verteidigungsstab Âetablierte und sich zwischen dem Judenstaat und dieser christlich-orientalischen Enklave eine verdächtige Kooperation abzeichnete.
Die »Rosa Panther«
wüten in Hama
ZwölfJahre später, im April 1982, befand ich mich wieder in Damaskus. Dieses Mal hatten mir Freunde einen Fahrer namens Samuel anempfohlen, der sich als Assyrer bezeichnete und sich mir gegenüber mit erstaunlicher Offenheit äuÃerte. Mit den Arabern wollte er nichts zu tun haben. Diese Beduinen hätten doch nur Verwüstung und Niedergang gebracht. Wie die meisten Christen der Arabischen Republik Syrien â sie machen etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus â ertrug er das stark personalisierte Baath-Regime des Präsidenten Hafez el-Assad als das geringere Ãbel. Im Angesicht der nahenden Flut des muslimischen Fundamentalismus bot die säkulare und sozialistische Ideologie der Baath-Partei den Minderheiten weiterhin die Chance einer begrenzten Gleichberechtigung. »Sollen die Muslime doch um die Macht in Damaskus ringen«, meinte Samuel, »wir Christen wenden uns unterdessen den Geschäften zu.«
Auf unserem Abstecher nach Palmyra nahm uns die fruchtbare Ebene von Homs auf. Ãberall waren die Wände und Mauern mit Abbildungen des starken Mannes von Damaskus beklebt. Der Personenkult hatte sich in den letzten Jahren grotesk gesteigert, wurde zur Zwangsvorstellung. Das energische Gesicht
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