Arabiens Stunde der Wahrheit
bedurfte. Die sich vertiefende Partnerschaft des Pentagonsmit Israel hinderte die USA hingegen, an der Aufrüstung der »Vereinigten Arabischen Republik« â wie es damals hieàâ teilzunehmen.
Der ägyptische Staatschef war ein frommer Muslim, aber er bekannte sich gleichzeitig zum zutiefst unislamischen Konzept einer gesamtarabischen Nation und eines arabischen Sozialismus, zu Vorstellungen also, die aus dem ungläubigen Westen importiert waren und sich nicht in Einklang bringen lieÃen mit dem strengen koranischen Ideal der weltumspannenden »Umma«, in der sich alle Anhänger des Propheten Mohammed wiederfänden.
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Während unserer Exkursion nach Kushti verzichte ich darauf, Feisal über die politische Situation in seinem Land zu befragen. Mit Sicherheit hätte er ein Bekenntnis zu dem seit zwanzig Jahren mit autokratischen Vollmachten ausgestatteten Präsidenten Omar el-Bashir abgelegt, dessen Wiederwahl bei dem kommenden Urnengang auÃer Zweifel steht. Der Sandsturm hat etwas nachgelassen, während ich mich von meinem Begleiter verabschiede. Das Hotel »El Salam Rotana« gehört nicht zur Luxusklasse. Aber auf originelle Weise wurde hier eine orientalische Karawanserei rekonstruiert, der man sogar durch unverputzte Wände und morsche Holzgalerien authentisches Flair zu verleihen sucht. Das Personal setzt sich überwiegend aus Libanesen zusammen, und in dem Restaurant, das orientalische Speisen serviert, schmeckt die Mezze vorzüglich. Sogar das alkoholfreie Bier ist genieÃbar.
Drei Tage zuvor hatte ich zwei Spiegel -Reporter zum Interview bei General Omar el-Bashir begleitet. Susanne Koelbl hatte mich durch einen sachkundigen Afghanistan-Bericht beeindruckt. Mit ihrem Kollegen Volker Windfuhr bin ich seit langen Jahren befreundet. Schon im Jahr 1994 hatte ich ein ausführliches Gespräch mit Omar el-Bashir geführt. Er residierte damals in jenem alten Gouverneurssitz aus der Zeit des Empire, auf dessen Stufen der britische General Gordon 1885 von den eifernden islamischen »Ansar«des Mahdi massakriert worden war. Im März 2010 begnügt sich der General mit einem bescheidenen Compound militärischen Zuschnitts, dessen Abschirmung gegen Attentate mir Ârelativ locker erscheint. Mit dem Bau eines prächtigen Palastes, der der Bedeutung seines Amtes gerecht würde, ist bereits eine chinesische Staatsfirma beauftragt worden.
Seit unserer letzten Begegnung sind 16 Jahre vergangen. Der 66-jährige Mann ist kaum gealtert. Er ist fülliger geworden und trägt einen dunklen, europäischen Anzug. Das weiÃe Hemd steht offen, wie das heute Mode ist. Martialisch wirkt allenfalls der dichte Schnurrbart. Susanne Koelbl hat ihre blonden Haare hochgesteckt, aber denkt nicht daran, ein Kopftuch anzulegen. Entgegen einer weitverbreiteten Stimmungsmache besteht im Sudan für nicht muslimische Frauen keinerlei Zwang zur Verschleierung, und selbst junge Einheimische tragen das Kopftuch recht locker und kokett über den engen Jeans. Im Hotel war mir eine einzige jungvermählte Frau aufgefallen, deren schwarzer »Niqab« nur einen Augenschlitz frei lieà und die trotz der drückenden Hitze schwarze Handschuhe trug.
Der Präsident läÃt sich durch die Fragen der Spiegel -Journalistin nicht provozieren. »Ja, es gibt Probleme, vor allem mit den europäischen Staaten«, räumt er ein. Aber am seltsamsten verhielten sich die Vereinigten Staaten, die auf der Vollstreckung des HaftÂbefehls bestehen, den Internationalen Gerichtshof in Den Haag Âjedoch selbst gar nicht anerkennen. Die Sanktionen des Westens, so fährt er fort, würden sein Land nicht sonderlich belasten. »Am Âselben Tag, an dem Siemens bekanntgab, sich aus dem Sudan Âzurückzuziehen, unterzeichneten wir einen Vertrag mit einem groÃen chinesischen Konzern. Auf dem Erdölsektor haben wir jetzt mit chinesischen, indischen und malaysischen Unternehmen Verträge geschlossen. Deren Bedingungen sind deutlich günstiger als die üblichen Angebote der Amerikaner. Die Chinesen bilden zudem einheimische Techniker und Experten aus.«
»Die diplomatischen Beziehungen Ihres Landes zu den USA sind seit zwölf Jahren abgebrochen«, stellt Volker Windfuhr fest. »Dennoch kooperieren bei der Terrorbekämpfung die Geheimdienstebeider Länder recht intensiv. Die sudanesische Abwehr arbeitet mit amerikanischer
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