Arabiens Stunde der Wahrheit
Ausrüstung. Ihr ehemaliger Geheimdienstchef hält sich häufig in den USA auf. Verstehen Sie sich in aller Diskretion nicht ganz gut mit den Amerikanern?«
Seit der Amtsübernahme Barack Obamas in Washington operiert die amerikanische Orientpolitik offenbar mit gröÃerer Geschmeidigkeit und diplomatischem Pragmatismus. »Die eigentlichen Entscheidungsträger in den USA, also auch FBI und CIA, wissen sehr genau, daà die Greuel, die über den Sudan und Darfur verbreitet werden, nicht der Realität entsprechen«, betont Omar el-Bashir. »Aber mächtige Interessengruppen nehmen Einfluà auf die US-Regierung. Nur so lassen sich die Widersprüche ihrer Position erklären. Unser Dialog mit den Vereinigten Staaten läuft über den Sondergesandten Scott Gration. Wir schätzen diesen ehemaligen General als vernünftigen, realitätsbezogenen Mann.«
»Warum haben Sie bis 1996 dem späteren Top-Terroristen Osama Bin Laden Gastfreundschaft gewährt, immerhin vier Jahre lang?« forscht Susanne Koelbl. Für mich ist das der interessanteste Punkt dieser Begegnung. Der General läÃt sich nicht aus seiner höflichen Zurückhaltung bringen: »Als Osama Bin Laden in Afghanistan seine eigene Truppe, seine âºislamische Legionâ¹, bildete, genoà er als Mujahid die volle Unterstützung der Amerikaner. Die CIA war die Triebfeder seiner militärischen Operationen. Nach dem Rückzug der Sowjets aus Afghanistan reiste Osama Bin Laden in den ÂSudan und unternahm dort den Ausbau des Hafens Bur Sudan. Das Projekt wurde zum Teil von der saudi-arabischen Regierung finanziert. Die Arbeiten selbst wurden von dem mächtigen, in Saudi-Arabien ansässigen Bin-Laden-Konzern durchgeführt. Osama kam also nicht als Terrorist, sondern als Investor und Geschäftsmann an den Nil. Dann aber überwarf er sich mit der eigenen saudischen Regierung in Er-Riyad, weil er sich angeblich mit islamistischen Extremisten zusammentat und die Gläubigen aufzuwiegeln suchte. Sobald wir uns seiner illegalen Tätigkeit bewuÃt wurden, haben wir den Kontakt abgebrochen. Er kehrte aber nicht nach Saudi-Arabien zurück, wo man ihn ausgebürgert hatte und er vorGericht gestellt worden wäre, sondern gelangte auf Schleichwegen nach Afghanistan, wo er Zuflucht bei seinen alten Kampfgefährten fand.«
Wo Carlos Zuflucht suchte
Khartum, November 1994
Als ich in einer kühlen Novembernacht des Jahres 1994 um drei Uhr morgens schlaftrunken aus der KLM-Maschine taumelte, war am oberen Nil weder von Osama Bin Laden noch von El Qaida die Rede. AuÃer ein paar amerikanischen CIA-Agenten nahm niemand Notiz von der Präsenz dieses hochgewachsenen Bauunternehmers aus Saudi-Arabien. Ich schleppte mein Gepäck zur umständlichen Durchsuchung durch miÃmutige Beamte. Die Atmosphäre in der Ankunftshalle von Khartum, wo ich vergeblich nach irgendeiner Empfangsperson Ausschau hielt, mutete irgendwie kongolesisch an. Auf dem Vorplatz wurde ich plötzlich aus der Dunkelheit von einem riesigen Nubier angesprochen. »Are you Doctor Peter?« Dem Sicherheitsdienst der Republik Sudan war meine Ankunft also doch angekündigt worden. Er sollte nunmehr â was mich nicht im geringsten störte â jeden meiner Schritte begleiten. Mein Gefährte stellte sich unter dem Namen Bassam vor und lud mich in einen klapprigen Peugeot ein. Das Hilton-Hotel, wo er mich ablud, hatte schon bessere Tage gesehen. Bassam verabschiedete sich brüsk und versprach, am nächsten Morgen wiederzukommen.
Schon am folgenden Tag konnte ich feststellen, daà sich die islamische Revolution, die Gründung eines fanatischen Gottesstaates, von dem in den europäischen Medien so intensiv die Rede war, am Zusammenfluà von Blauem und WeiÃem Nil weit weniger radikal und furchterregend äuÃerte, als ich befürchtet hatte. Den Amerikanern war das Regime des General Omar el-Bashir, der 1989 durch einen Militärputsch der ausufernden politischen Instabilität einEnde zu setzen suchte, zutiefst suspekt, taktierte er doch zur Zeit meines Aufenthalts mit der eifernden Gefolgschaft des hochgebildeten Scheikh Hassan el-Turabi und dessen »Nationaler Islamischer Front«. Doch der Ruf des Muezzin hallte über Khartum längst nicht so dröhnend wie in den meisten Städten der post-Âkemalistischen Türkei. Die diversen christlichen Kirchen aus der
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