Arabiens Stunde der Wahrheit
Wasserzuteilung SchlanÂge. Der Gouverneurspalast ist durch eine hohe Mauer und eine Kompanie Soldaten geschützt. Das Gebäude ist immer noch stattlich. Ein Dutzend Gazellen weidet auf dem kurzgeschorenen Rasen des Innenhofes.
Der brave Chauffeur Abdul Hamid verabschiedet sich mit einer positiven Ãberraschung. Für seine umständliche Suche will ich ihn mit 50 Dollar entlohnen. Aber da schüttelt er den Kopf. »Die Summe ist viel zu hoch«, sagt er und gibt mir die Hälfte zurück. Am Eingang des Compounds erwartet mich in weiÃer Livree der Diener Omar, der mir zugeteilt ist. Die französische Botschafterin hatte nicht zuviel versprochen. Ich werde zu einem niedrigen Nebengebäude geführt, das zur Zeit der Briten wohl als »boys quarter« gedient hatte. Zuerst will Omar mich in einem Brutkasten unterbringen, in dem sich bereits ein halbes Dutzend Afrikaner häuslich niedergelassen hat. Dann besinnt er sich eines Besseren undweist mir einen etwas gepflegteren Raum an, den ich nur mit einem Einheimischen teile, einem höflichen, stillen Mann, der vor dem Gebet seine Waschungen vornimmt und â wie ich mit Befriedigung feststelle â in tiefen Schlaf verfällt, ohne zu schnarchen.
Das Abendmahl, das Omar mir serviert, ist spärlich: Coca-Cola und die landesüblichen Krapfen aus Hirse oder Mais. Das Gebäck ist sogar genieÃbar. Der Gouverneur lade mich zu einer Festlichkeit ein, die für heute abend geplant sei, sagt Omar. Es fände eine Vorführung von »tribal dances« statt, und da die Stämme des Darfur eine verwirrende Vielfalt aufweisen, sei das ein sehenswertes Spektakel. Nach Einbruch der Dunkelheit nehme ich also neben den Honoratioren, Offizieren und Korangelehrten unter einem weitgespannten Baldachin auf einer Empore Platz.
Endlich bekomme ich auch den Gouverneur zu Gesicht. Der Wali überragt mich um Kopfeslänge, wirkt recht sympathisch und unprätentiös. Es sei doch wohl alles in Ordnung, erkundigt er sich. Für den morgigen Tag habe er ein Besichtigungsprogramm vorbereitet. Ich sei ihm von Khartum empfohlen worden. Aber ansonÂsten halte man in El Fasher nicht viel von westlichen Journalisten und Kameraleuten, die offenbar auf Weisung imperialistischer und kapitalistischer Interessengruppen aus seiner Provinz nur Katastrophenberichte und Horrorbilder publizierten. Der Wali, so erfahre ich, gehört der groÃen Stammesföderation der Fur an, die der Region »Dar Fur« den Namen verliehen hat und vor Ankunft der ÂKolonisatoren ein stattliches Sultanat bildete.
Auf dem Rasen hat sich ein halbes Dutzend Tanzgruppen aufgereiht. Sie haben ihre eigenen bizarren Musikinstrumente und Trommeln mitgebracht und sind â jede nach »Tribe« â unterschiedlich kostümiert. Das Schauspiel entbehrt nicht einer gewissen Komik, und es kommt eine afrikanische Karnevalsstimmung auf. Die Gruppen unterscheiden sich vor allem durch die Farben ihrer Gewänder. Da wechselt Himmelblau mit Purpurrot und Giftgrün ab. Manche haben sich karierte Pyjamas geschneidert, die der Yoruba-Tracht Nigerias ähneln. Diese Harlekine führen exakt koordinierte rhythmische Ãbungen vor, die vom Drill eines britischen Garderegimentsinspiriert sein könnten. Andere ahmen das Galoppieren von Pferden nach oder führen Scheingefechte aus. Auch Frauen nehmen an dieser Hüpferei teil. Ich habe schon eindrucksvollere und gruseligere afrikanische »tribal dances« am Kongo erlebt. Aber die Veranstaltung von El Fasher zeichnet sich durch eine ungewohnte Harmlosigkeit aus. Jeder Stamm versucht den anderen zu überbieten und amüsiert sich offenbar prächtig dabei.
Zu den sudanesischen Regierungssoldaten haben sich kleine Kontingente der afrikanischen Schutztruppe gesellt, die unter dem Namen AMIS auftritt. In dieser kunterbunten Koalition, in der unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zwanzig- bis dreiÃigtausend »Friedensschützer« dienen, sind die unterschiedlichsten Staaten vertreten â Ruanda, Kenia, Sambia, Ãgypten, Senegal, Gambia, Südafrika, Uganda und andere. Sie sind an den Landeswappen zu erkennen, die sie auf den Ãrmel genäht tragen. In meiner Nähe halten sich überwiegend Westafrikaner aus Gambia und Senegal auf, die dem Stamm der Wolof angehören und verwandtschaftliche Beziehungen unterhalten, obwohl die einen anglophon und die anderen frankophon
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