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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Wort Englisch, aber in solchen Situationen kommen mir längst vergessene arabische Vokabeln wieder in den Sinn. So gebe ich die Weisung, mich zum Büro des Gouverneurs zu fahren, »ila el maktab el Wali«. Die Suche beginnt aufs Geratewohl.
    Die Stadt El Fasher erscheint mir als ein häßlicher »Suq«, eine Ansammlung von brüchigen Verkaufsbuden, die von riesigen Reklameschildern überragt wird. Grellbunt gekleidete Frauen wüh­len in einem Warenangebot, das meist aus China stammt. Ich bedarf nicht der Warnungen meines Fahrers Abdul Hamid, um festzustellen, daß wir uns im Zentrum einer kriegerischen Ausein­andersetzung befinden. Immer wieder werden wir von vergammelten Regierungssoldaten in Tarnuniform angehalten, die die Ka­­laschnikow schußbereit an der Hüfte tragen. Vertrauenerweckend sehen sie nicht aus. Ich fühle mich in die finsteren Kongo-Wirren derfrühen sechziger Jahre zurückversetzt. Dort ging unter den verängstigten Belgiern seinerzeit der törichte kolonialistische Satz um: »How do you call a nigger with a submachine gun? – Wie redet man einen Neger an, der mit einer Maschinenpistole bewaffnet ist?« Die Antwort lautete: »Sir!«
    In einem giftgrünen Tümpel am Rande des Suq müssen die Keime aller nur denkbaren Krankheiten gedeihen. Auf einem Müllhaufen knabbern schwarze Ziegen an Papier und Abfall. Abdul Hamid hat offenbar nicht die geringste Ahnung, wo sich der Sitz des Gouverneurs befindet. Er klappert ein halbes Dutzend Amtsstuben ab, wo ermattete schwarze Beamte und ihre weiblichen Schreibkräfte vor ungeöffneten Aktenstapeln und verrosteten Computern kauern. Die Männer sind trotzdem bester Laune. Sie führen endlose Gespräche über ihre Handys, die hier – wie in ganz Afrika – das unentbehrliche Kommunikationsinstrument eines jeden sind. Die Frauen dösen vor sich hin, blicken auf ihre erloschenen Apparaturen und verscheuchen mit müder Geste die lästigen Insekten. Die administrativen Funktionen, die einst von Europäern ausgeübt oder angeleitet wurden, sind seit der Unabhängigkeit zur Posse geworden, werden hier wie absurde Szenen aus einem surrealistischen Bühnenstück nachgespielt.
    Keiner vermag indessen zu erklären, wo denn wirklich der Wali amtiert. Die Situation wird allmählich ärgerlich und ein wenig besorgniserregend. Die Pickups mit aufmontierten Maschinengewehren, diese schwere Kavallerie des asymmetrischen Krieges, sind von wild blickenden Kriegern der afrikanischen Schutztruppe bemannt. Ich komme gar nicht auf die Idee, bei ihnen Ratschlag oder gar Schutz zu suchen. Am Ende landen wir vor einem streng bewachten Betonblock. Eine höhere Charge in Offiziersuniform kommt mißgelaunt auf mich zu. Er sei der »mas’ul«, der Verantwortliche der »mukhabarat el askariya«, des militärischen Nachrichtendienstes, gibt er zu verstehen. Der Mann wirkt wie ein Krokodil auf der Lauer, und jetzt spüre ich, daß ich mein Schicksal nicht länger dem Zufall überlassen darf, daß ich sehr schnell Opfer der weitverbreiteten Spionitis werden könnte.
    Dankeiner glücklichen Fügung hatte ich mein Mobiltelefon mit einem für den Sudan geeigneten Chip ausgestattet. Ich versuche, Botschafter Gaafar über seine Amtsnummer zu erreichen, und es scheint mir wie ein Wunder, daß ich tatsächlich sein stets fröh­liches Organ vernehme. Der Diplomat erklärt mir, daß irgendein Transmissionsfehler vorgelegen habe, daß meine Ankunft in El Fasher tatsächlich nicht angemeldet sei. Es beginnt ein endloses Palaver zwischen dem Außenministerium und dem Mann der Military Intelligence, dessen Zorn abflaut und der zusehends freundlicher wird. Am Ende erteilt er dem eingeschüchterten Abdul Hamid präzise Anweisungen, wohin er mich zu transportieren habe. Er ruft mir sogar den Segensgruß »ma’salam« nach, und seine Krokodilsaugen verfärben sich beinahe wohlwollend.
    Das Stadtviertel, dem wir uns jetzt zuwenden, wirkt freundlicher und gepflegter als das schmuddlige Zentrum. Hier hatten wohl einst die wenigen britischen Kolonialbeamten gewohnt. Eine lange Kolonne von Frauen leuchtet malerisch aus dem satten Grün. Ihre weiten Roben schimmern in allen Farben des Regenbogens, be­decken das Kopfhaar, aber lassen das Gesicht stets frei. Sie stehen mit ihren Blechkanistern für eine spärliche

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