Arabiens Stunde der Wahrheit
ausgerichtet sind. Diese Fremdlinge aus der Umgebung des Cap Verde sind mit Helm und kugelsicherer Weste ausgerüstet, als wollten sie in die Schlacht ziehen. Zum Rhythmus der Trommeln schwenken aber auch sie spielerisch ihre Kalaschnikows und gehen recht leichtfertig mit den durchgeladenen Waffen um.
Ich nähere mich einem kleinen Trupp Senegalesen und spreche sie auf französisch an. Der Klang der ihnen vertrauten Sprache löst groÃe kindliche Freude aus. Sie behandeln mich fast, als wäre ich einer von ihnen. Wie sie sich denn in dieser fernen Darfur-Steppe zurechtfänden, frage ich einen Sergeanten. Der macht eine Grimasse. »Die Gegend hier erscheint uns unheimlich und unberechenbar«, räumt er ein. »Câest un pays de sauvages â Das ist ein Land von Wilden, Monsieur«, meint er herablassend.
Omar versucht die tribalistische Zugehörigkeit der diversen Tänzer zu definieren und beweist dabei mehr politische Kenntnis, als ich ihm zugetraut hätte. Er selbst sei ein Tongar, und den Darbietungenseiner Stammesbrüder zollt er lebhaften Beifall. Es sei hingegen schwer, die vier Kategorien der Fur zu unterscheiden. Ganz eindeutig seien die kriegerischen Zaghawa zu erkennen, die der Regierung von Khartum zur Zeit am stärksten zusetzen. In Darfur gehe es bei den Aufständischen nicht um die Forderung nach einem staatlichen Separatismus, wie das bei den Ungläubigen des Südens der Fall sei, sondern man verlange von der Zentralregierung ein gewisses Maà an Autonomie und eine Beteiligung an den reichen Gewinnen, die Khartum aus der Erdölförderung zuflössen. Gewià sei der Norden von Darfur stärker arabisiert als der Süden, aber in der Ausrichtung auf den sunnitischen Islam gebe es hier keine nennenswerte Differenz. Darfur habe sich sogar stets durch seinen religiösen Eifer hervorgetan. In dieser Region habe bereits der Mahdi Ahmed Mohammed bei seinem Jihad gegen die Engländer die entschlossensten Mitkämpfer gefunden.
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Das Flüchtlingslager Abu-Shook, westlich von El Fasher gelegen, ist nur über eine holprige Piste zu erreichen. Mit seinen 2000 Familien zählt es bestimmt nicht zu den armseligsten Asylen, die die Vereinten Nationen den Opfern des Bürgerkriegs eingerichtet haben. Ãhnlich muà es auch in anderen »Refugee Centers« zugehen, die näher an der stets unruhigen Grenze zur Tschad-Republik oder am Wadi Bubuk liegen. Sehr viel dramatischer hingegen sei der Zustand im Umkreis der Nuba-Berge, die dem militärischen Schutz afrikanischer Bruderländer ausgeliefert sind. Die negroid wirkenden Menschen, die sich in Abu-Shook zusammendrängen, gehören fast ausschlieÃlich den Ackerbau treibenden Clans des Fur-Volkes an. Diese Ethnie, so heiÃt es in den Berichten der westlichen Medien, hätte am schlimmsten gelitten unter den mörderischen Einfällen der »Djandjawid«, jener bewaffneten Reitertruppen aus dem Norden, die stark arabisiert sind und als nomadisierende Viehzüchter Weideland für ihre Kamele, Rinder und Ziegen zu erobern Âsuchen. Das Wort »Djandjawid« läÃt sich mit »Gespensterreiter« übersetzen.Das klingt unheimlich und leitet sich von dem Wort »Djinn« ab, mit dem sich magische Kräfte verbinden.
Von einem Polizisten in blauer Uniform werde ich zum geräumigen Zelt des Camp-Direktors begleitet. Ibrahim el-Khalil, »Abraham der Gottesfreund«, wie er auf deutsch heiÃen würde, ist ein energischer, fast elegant gekleideter Mann. Er spricht vorzüglich Englisch und zeichnet sich durch eine Mitteilsamkeit aus, die ich an dieser Stelle nicht erwartet hätte. Er selbst gehört dem Volk der Tongar an, was ihm eine gewisse Distanz verschafft zu den Querelen der diversen Fur-Fraktionen. Wir beginnen unseren Rundgang durch Abu-Shook. Für flüchtig auftauchende Parlamentarier aus Europa und den USA mag sich ein erschütterndes Bild namenlosen Elends entfalten. Wer jedoch mit der Realität des schwarzen Erdteils vertraut ist, findet hier die übliche Misere weiter Regionen wieder. Die Unterkünfte sind aus Lehmziegeln und Wellblech aufgeschichtet. Die Bedachung aus einer dreifachen Schicht von Stroh und Palmenblättern bietet prekären Schutz vor den Wassergüssen der Regenzeit. Unentbehrlich sind wohl die scheuÃlichen blauen Plastikplanen, die überall als Abdichtung oder als Sonnenschutz aushängen.
Die
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