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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Stämme.
    Hinter der humanitären Vereinigung »Save Darfur«, die über die finanziellen Mittel verfügt, ganze Seiten hochrangiger Zeitungen und Magazine für die emotionale Schilderung der Darfur-Greuel aufzukaufen, profilieren sich wirtschaftliche Interessengruppen, die sich bei der Erdölförderung des Sudan durch die Chinesen benachteiligt fühlen. Ihnen haben sich gealterte Hollywoodstars und Popsänger zugesellt, die sich wieder ins Rampenlicht drängen möchten. Am Quai d’Orsay hat man in diesen Tagen immerhin mit Befriedigung festgestellt, daß die beiden Nachbarstaaten Sudan und Tschad gerade noch rechtzeitig das Kriegsbeil begraben haben, bevor es zum offenen internationalen Konflikt kam.
    Auf beiden Seiten kämpften Angehörige des dynamischen und dominanten Volkes der Zaghawa, die einen gegen die Regierung vonKhartum, die anderen gegen die Regierung von Ndjamena. Die Kerntruppe dieser Ethnie sollte mit ihren Vorhuten ein Jahr später bis nach Omdurman in unmittelbare Nähe des sudanesischen Parlaments vordringen. Erleichtert wurde der Abschluß des Waffenstillstandes, der die Gewaltausübung durch andere unkontrollierte Banden übrigens keineswegs ausschloß, durch die Tatsache, daß der Präsident der frankophonen Republik Tschad, Idriss Déby, selbst dem Volk der Zaghawa angehört. Zur Beruhigung der Lage hat wohl auch entscheidend beigetragen, daß die Militärpräsenz der Tschad-Regierung in der Grenzstadt Abéché durch ein Kontingent französischer Fallschirmjäger und Fremdenlegionäre verstärkt wurde. Diese Soldaten verfügten über eine gründliche Erfahrung bei der Eindämmung tribalistischer Wirren im schwarzen Erdteil.
    Auf allgemeine Geringschätzung stießen die Kontingente der UNAMID (African Mission in Darfur), ein buntes Sammelsurium von abenteuernden Friedensstiftern, die im Auftrag und im Sold der Vereinten Nationen zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung ausgesandt worden waren. »Sie hören immer wieder von den zahllosen Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen, denen die Frauen der diversen Stämme ausgesetzt sind«, sagte mir ein europäischer Experte, »aber an diesen Ausschreitungen, die tatsächlich überall stattfinden, sind die Aufstandsbewegungen nicht weniger beteiligt als die offizielle Regierungstruppe des General Bashir.«
    Die Zwischenlandung in Nyala dauert eine knappe Stunde. Auf dem Flugfeld sind ein paar UNO-Maschinen geparkt sowie drei altertümliche MIGs. Die Reisenden – mehrheitlich Europäer oder Asiaten – dürften im Auftrag der Vereinten Nationen oder irgendeiner NGO (Non Governmental Organization) tätig sein. Der Pilot der Trident ist ein Brite mit gezwirbeltem RAF-Schnurrbart. Mir fällt eine Gruppe von beruflichen Wohltätern auf – Männer und Frauen jeglicher Altersklasse –, die ihrem humanitären Engagement mit grimmiger Entschlossenheit entgegensehen, keines Lächelns fähig scheinen und sich wohl als göttlich berufene Rache­geister fühlen, die Verbrechen der Menschheit zu sühnen. Die Angehörigendieser sektenähnlichen Gemeinde, darunter manche Deutsche, rufen mir den Satz Friedrich Nietzsches ins Gedächtnis: »Und hüte dich vor den Guten und Gerechten.«
    Der Flug ist jetzt präzise nach Norden ausgerichtet. Um die Baracken des Airports von El Fasher herum wimmelt es von Menschen. Die Savanne ringsum wird von mächtigen Baobabs, von Affenbrotbäumen, beherrscht. Mein Nachbar im Flugzeug hatte in einem Buch Pas si fous les Français  – »So dumm sind sie doch gar nicht, die Franzosen« gelesen. Wenn dem nur so wäre. Er wird von einem Kollegen in Empfang genommen und braust unverzüglich in einem stattlichen Landrover davon. Ich bin der einzige Europäer, der in Erwartung des vom Außenministerium in Khartum versprochenen Empfangskomitees ratlos und verloren im Gedränge afrikanischer Geschäftigkeit zurückbleibt. Auch hier sind die Eingeborenen freundlich und höflich, aber auf Dauer muß ich den Sicherheitsdiensten verdächtig vorkommen in meiner Unbeholfenheit.
    Zum Glück staut sich vor dem Ausgang eine Vielzahl winziger Taxis koreanischer Fabrikation. Sie sind einheitlich blau und weiß angemalt. Ein dicker schwarzer Chauffeur erscheint vertrauenswürdig, und ich klemme mich in sein Gefährt. Er spricht kein

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