Arabiens Stunde der Wahrheit
einrichten muÃten, der sich träge und scheinbar ziellos zwischen den Sandbänken schlängelte. Für die kriegerischen Tuareg hingegen, die mit ihren Mehari und ihren schwarzen Sklaven â verschleiert und unheimlich â bis zu diesen Ufern vordrangen und die nur an die Tümpel ihrer winzigen ÂOasen gewöhnt waren, wirkte der seichte Fluà wie ein Naturwunder, den sie mit dem arabischen Wort »el bahr« als »Meer« bezeichÂneten.
Das Gold von Timbuktu
Bisin die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war Timbuktu für Ungläubige eine streng verbotene Stadt. Mancher britische und französische Entdecker hat dort einen gewaltsamen Tod gefunden oder ist den tropischen Seuchen erlegen. Arabische Chronisten bestätigen jedoch, daà eine jüdische Gemeinde eine Zeitlang in Timbuktu toleriert wurde. Wir stoÃen hier auf das seltsame Phänomen, daà nach der Eroberung Nordafrikas durch die Feldzüge, die »Futuhat«, des frühen Islam in Algerien und Marokko bis in die jüngste Vergangenheit starke mosaische Glaubensgruppen in ihren abgesonderten Vierteln, den »Mellah«, alle Wirren der Jahrhunderte überdauert hatten und erst nach der Gründung des Staates Israel unter akuter Bedrohung für Leib und Leben die »Alia« ins Land der Väter antraten.
Um so erstaunlicher ist die Tatsache, daà die christlichen Berber oder Numidier des Maghreb, die noch zur Zeit der frühen byzantinischen Kaiser â zumal im heutigen Algerien und Tunesien â die groÃe Mehrheit der Bevölkerung stellten, nach dem siegreichen Einfall der Jünger Mohammeds völlig ausgetilgt wurden. Es hatte also eine sehr unterschiedliche Duldung zwischen den beiden »Schriftbesitzern« stattgefunden. Die Israeliten blieben als »Dhimmi« verschont, die »Nasrani« hingegen wurden wie Gottlose, wie »Kuffar«, behandelt.
Die Historiker des Westens, die allzu gern in den islamischen Chor der Entrüstung gegen die christlichen Kreuzfahrer einstimmen, ignorieren offenbar, daà die »Crusaders« â wie es heute noch in den antiamerikanischen Pamphleten heiÃt â lediglich jenen Fetzen Palästinas zurückerobern wollten, wo der Gottessohn Jesus Âgelebt und gelitten hatte, während der immense Raum zwischen Mesopotamien und dem Atlas, der sich einst zur Lehre des Nazareners bekannte, vom unwiderstehlichen Jihad der Korangläubigen im Wirbelsturm überrannt und dem »Dar-ul-Islam« einverleibt wurde.
Inder relativ komfortablen Lounge des »Archambault« habe ich beim Sundowner eine französische Ãbersetzung der Reisebeschreibungen des deutschen Afrika- und Islamforschers Heinrich Barth aus dem Jahr 1852 entdeckt. In den oberen Etagen des Schiffes und den bequemen Kabinen hielten sich nur Europäer auf, vor allem Franzosen aus dem tiefen Sudan, die ihren Heimaturlaub antraten oder in Voraussicht auf die bevorstehende Unabhängigkeit Malis endgültig ins Mutterland zurückkehrten. Auf der breiten, offenen Bugfläche hingegen drängten sich die Einheimischen, bereiteten dort ihre Mahlzeiten und schliefen unter offenem Himmel. Es war ein ziemlich extravagantes Völkergemisch.
Heinrich Barth, so las ich, war unter unsäglichen Strapazen und Gefahren nach Timbuktu gelangt. Dort verlangte Seku Ahmadu, der einfluÃreiche Sultan der Fulbe oder Peul, die im Begriff standen, ihren Heiligen Krieg in Richtung Tschad und Nigeria auszuweiten, die Auslieferung und Hinrichtung dieses »Kafir«, dieses Ungläubigen.
Barth hatte sich aus dieser kritischen Situation gerettet, indem er sich in langen Gesprächen auf seine theologischen Kenntnisse berief. Die Muselmanen selbst würden doch Mohammed nicht als den einzigen Propheten anerkennen, so argumentierte er. Sie verehrten auch Moses und Jesus. Letzterer besäÃe sogar eine ganz spezielle Bedeutung, denn ihm falle die Aufgabe zu, das Jüngste Gericht und die Auferstehung der Toten anzukündigen. Im übrigen würden Muslime und Christen zum gleichen Gott beten, ständen sich in vieler Beziehung nahe und sollten gute Freunde sein. Der deutsche Orientalist hatte bei dieser Gelegenheit wohl auch die fünfte Sure des Korans, Vers 82, zitiert, wo es heiÃt: »⦠und Du wirst sicher finden, daà diejenigen, die den Gläubigen in Liebe am nächsten stehen, die sind, welche sagen: âºWir sind
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