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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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unbegrenzte Autorität ausübten. Wir sehen, daß die Probleme, denen sich die Republik Sudan von Khartum in der Darfur-Provinz ausgesetzt sieht, in ähnlicher Form eine umfassende kontinentale Zone in Frage stellen.
    Nach dem Verzicht Frankreichs auf sein afrikanisches Kolonial­reichübte Paris weiterhin einen beachtlichen kulturellen, politischen und militärischen Einfluß aus, ja garantierte häufig das Überleben von frankophilen Staatschefs. So waren im Jahr 1986 im sogenannten Toyota-Krieg die Panzer Qadhafis, die bei ihrem Eroberungszug leichtsinnig bis Ndjamena, der Hauptstadt der Republik Tschad, vorgedrungen waren, durch eine kombinierte Aktion der französischen Luftwaffe und des gefürchteten, niemals voll unterworfenen Kriegervolkes der Toubou zum schmählichen Rückzug selbst aus dem Grenzstreifen von Aouzou gezwungen worden. Angeblich waren die wilden Toubou auf ihren Jeeps und Pickups, mit Milan-Raketen ausgerüstet, mit solcher Geschwindigkeit durch die libyschen Minenfelder gerast, daß diese erst hinter ihnen explodierten. So entstehen heldische Legenden, aber so zerrann auch das militärische Prestige des unberechenbarsten Diktators im arabischen Raum, des Oberst Muammar el-Qadhafi.
    Es konnte gar nicht ausbleiben, daß die sogenannte maghrebinische El Qaida, die unter dem vagen Befehl des Algeriers Abdelmalek Droukdal steht, mit den französischen Interessen in Konflikt geriet. Es kam zu einer Reihe von Entführungen europäischer Wirtschaftsexperten und Ingenieure sowie zu gezielten Gegenschlägen französischer Spezialeinheiten, die aus dem mauretanischen Raum operierten. Gleichzeitig benutzte die französische Luftwaffe die Rollbahnen von Niamey, Bamako, Timbuktu und Ouagadougou, der Hauptstadt der Republik Burkina Faso.
    Die bisherigen Zwischenfälle mögen – an anderen Krisenherden gemessen – minimal erscheinen. Aber in Washington ist man beunruhigt, zumal neuerdings die Sahara als Durchgangsschleuse für den Drogenschmuggel aus Lateinamerika benutzt wird. Um einer Ausweitung des militanten Islamismus auf dem schwarzen Kontinent entgegenzuwirken, sind – gelegentlich in Kooperation, meist in Konkurrenz zu den Franzosen – kleine Kommandos von U.S. Special Forces aufgetaucht, während, wie in so manchen anderen Weltgegenden, amerikanische Ausbilder sich um die Ertüchtigung der einheimischen Regierungsarmeen bemühten. Amerika wäre nicht Amerika, wenn die großen Konzerne aus Übersee nicht versuchthätten, bei der Ausbeutung der dortigen Mineralien die europäischen Bündnispartner aus dem Feld zu drängen.
    Die französischen Ingenieure und Techniker des großen Areva-Konzerns, der bislang mit der Firma Satom über eine Monopolstellung bei der Schürfung des Urans in der entlegenen Wüstensiedlung Arlit verfügte, sahen sich unterdessen ganz anderen Gefahren ausgesetzt. Ein Dutzend ihrer Mitarbeiter wurden durch Aufständische, die sich als Mitglieder der weltweiten El-Qaida-Verschwörung darstellten, entführt und in die unzugängliche Tuareg-Hochburg in Nord-Mali verschleppt. Die meisten von ihnen dürften inzwischen ermordet worden sein, nachdem Sarkozy sich geweigert hatte, auf die exorbitanten Forderungen – unter anderem die Freilassung von dreißig »Terroristen« – einzugehen, die in algerischen, französischen und mauretanischen Gefängnissen einsitzen.
    Statt einen bescheidenen »Deal« vorzuschlagen, überraschte der selbsternannte Chef der »El Qaida des islamischen Maghreb« ­Abdelmalek Droukdal mit der abstrusen Erklärung, allein Osama Bin Laden komme bei den mit Paris geführten Geheimverhandlungen als kompetenter Gesprächspartner in Frage. Droukdal, das war gewiß, war überhaupt nicht in der Lage, mit dem mythischen Gründer von El Qaida irgendeine Verbindung aufzunehmen. Mit Sicherheit war er auch nicht gewillt, diese abenteuerliche Gespen­stergestalt aus dem fernen Afghanistan als Schiedsrichter einzuschalten. Der Verweis auf die angebliche Autorität Osama Bin ­Ladens klang wie eine gezielte Verhöhnung der französischen Nachrichtendienste. »Er wollte uns nur verarschen – il voulait se foutre de nous«, soll ein Offizier der »Direction générale de la ­Sécurité extérieure« auf das Angebot reagiert haben.
    In Paris ist inzwischen ein

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