ARALORN - Der Verrat (German Edition)
weißt du über Menschenmagie?«
Halven hob die Brauen. »Vermutlich weniger als Wolf.«
»Der ist aber beschäftigt, und ich weiß nicht, ob ich das jetzt mit ihm erörtern möchte. Sag mir, wie mächtig müsste ein Traumwandler sein, um einen Jauler zu kontrollieren?«
»Nun ja, das Traumwandeln ist kein ausgesprochenes Menschenzaubertalent, und ich weiß ein wenig darüber.« Er kratzte sich am Kinn. »Jauler sind magische Kreaturen und viel schwieriger zu beeinflussen als ein halbwüchsiger Knabe wie Gerem. Das Traumwandeln ist unter uns viel verbreiteter als unter den Menschen, wenngleich wir nicht ganz so gut darin sind. Ich kenne zwei Traumwandler, aber nur einer von ihnen kann auch Traumflüstern. Wir kennen nicht mal Geschichten von Traumwandlern, in denen andere auf die Art manipuliert wurden, wie es bei Gerem der Fall gewesen ist. Bis auf die Geschichte vom – wie nanntest du ihn gleich –, ach ja, vom Träumer.«
»Jetzt, wo du die ganze Entstehungsgeschichte des Fluchs kennst, der auf dem Löwen lastet, glaubst du immer noch, dass ein toter Traumwandler dazu nicht in der Lage wäre?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Halven. »Immerhin waren Kisrah und Nevyn daran beteiligt, und die leben ja noch. Aber ich bin mir immer noch nicht sicher, wer deinen Bruder benutzt hat – derjenige, der das getan hat, muss wirklich eine Menge Macht besitzen. Andererseits hab ich noch nie mit einem toten Traumwandler zu tun gehabt, um es mit Gewissheit auszuschließen.«
»Vielleicht«, begann sie vorsichtig, »solltest du mit jemandem darüber sprechen, der mehr über die Toten weiß.«
Es war stürmisch, als sich Aralorn zum Tempel begab, aber heute machte ihr der Wind nicht halb so viel aus. Vielleicht hatten die Übungen zur Zentrierung ihr dabei geholfen, die Stimmen besser abzuwehren, oder aber das Vermögen, sie überhaupt zu hören, ebbte mit der Zeit ab. Sie hoffte, dass Letzteres der Fall war.
Die Türen des Tempels standen offen, also ritt sie geradewegs auf den Eingang zu, saß ab und ließ Schimmer draußen warten.
»Tilda?«, rief sie zögernd. Der Innenraum wirkte verwaist, wiewohl keinesfalls leer. Trotz der offenen Tür war es im Innern sehr warm, und doch war weit und breit kein Feuer zu sehen. Aralorn fröstelte, ging rückwärts wieder aus dem Gebäude und schloss sorgfältig hinter sich die Türen.
Sie führte Schimmer zu der kleinen Kate der Priesterin und sagte: »Keine Ahnung, warum mich das nervös gemacht hat, wo ich doch den ganzen Tag mit Magiern und Gestaltwandlern zu tun habe, aber …«
Vor dem Häuschen gab es eine Pferdestange, und sie band Schimmer dort an.
»Sei brav«, sagte sie und klopfte ihm auf den Rücken, bevor sie auf dem von Schnee geräumten Pfad zu dem Haus ging.
»Herein«, erklang es fröhlich von drinnen, nachdem Aralorn angeklopft hatte. »Ich bin in der Küche und backe.«
Und tatsächlich, als sie die Tür öffnete, drang ihr der Duft von warmem Hefegebäck in die Nase.
»Ich bin’s, Aralorn.« Sie folgte dem Duft in die Küche, wo Tilda bis zu den Ellbogen im Teig herumknetete. »Wie ich sehe, störe ich dich gerade bei der Arbeit.«
Tilda lachte. »Psst. Nicht verraten. Eine Priesterin sollte eigentlich stocksteif herumstehen und nichts als geheimnisvoll wirken.«
»Ist schon in Ordnung. Mein Bedarf an Geheimnisvollem ist gedeckt. Wo wir gerade davon sprechen: Die Tempeltüren standen offen. Ich hab sie geschlossen, bevor ich herkam.«
Tilda lächelte. »Nun denn, dann heißen wir beide Euch herzlich willkommen.«
»Danke«, erwiderte Aralorn mit einer Souveränität, die sie sich erst an der Seite von Wolf angeeignet hatte. »Ich bin hier, weil ich Euch ein paar Fragen stellen muss.«
»Mir oder der Priesterin?«
Aralorn zuckte die Achseln. »Wer immer sie mir auch beantworten kann. Geoffrey ae’Magi ist tot, oder nicht?«
»Ja«, sagte Tilda ohne zu zögern. »Ridane lässt es mich bisweilen wissen, wenn wichtige Personen gestorben sind.«
Aralorn stieß erleichtert die Luft aus. Sie hatte fast keinen Zweifel daran gehabt, aber es noch einmal bestätigt zu bekommen, war natürlich besser. Mit einem toten Erzmagier konnte sie umgehen, es war der lebende Geoffrey, der ihr den Schneid abgekauft hatte. »Viele Leute, darunter der derzeitige ae’Magi, glauben, dass sein Geist in Lammfeste traumwandelt. Ist so etwas möglich?«
»Traumwandeln?« Tilda hörte auf, den Teig zu bearbeiten, und schien nachzudenken. »Ich weiß es nicht.« Sie schloss
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