ARALORN - Der Verrat (German Edition)
Hasen auf den Boden tropfte.«
Gerem schilderte all dies mit einer unverblümten Offenheit, die Aralorn Respekt abnötigte. Für einen Jungen, der die Jagd verabscheute, musste die Erkenntnis dessen, was er getan hatte, grässlich gewesen sein.
»Als ich damit fertig war, tauchte ich meinen Finger in das Hasenblut und dachte an Vater, daran, wie sehr ihn das alles beeindrucken würde. Daran, wie stolz er auf mich wäre, wenn er wüsste, dass sein Sohn ein Magier ist. Ich machte ein Zeichen am Eckpfosten des Zauns.«
»Wie sah das Zeichen aus?«, fragte Wolf.
»Zwei Halbkreise, einer über dem anderen.«
Wolf legte die Stirn in Falten. »Haben beide mit der offenen Seite nach rechts oder links gezeigt? Oder einer nach rechts und der andere nach links?«
»Beide nach links.«
Wolf schloss die Augen, als ob er sich den Zauber im Geiste bildlich vorstellte. Er fragte: »Du sagst, du hast gesungen. Kannst du dich noch an die Worte erinnern?«
Gerem dachte nach. »Nein, es war Rethisch, obwohl ich in dem Moment genau verstand, was ich sang. Ich weiß noch, dass ich es komisch fand und dass es sich reimte.« Er schwieg einen Moment. »Irgendwas über Fütterung, glaube ich. Tod, Magie und Träume, aber an mehr kann ich mich nicht mehr erinnern.«
»Und dann hast du den Hof angezündet«, sagte Wolf.
Gerem nickte. »Später erfuhr ich, dass noch Tiere im Stall gewesen sind.« Er klang jämmerlich.
»Sei froh, dass keine Menschen dort waren«, meinte Aralorn.
»Danke«, erwiderte er säuerlich, aber nicht ohne Humor. »Jetzt krieg ich deswegen bestimmt auch noch Nacht für Nacht Albträume.«
»Und du dachtest, das war ein Traum?«, fragte Kisrah.
Gerem nickte. »Bis uns die Nachricht erreichte, dass der Hof niedergebrannt wurde. Selbst da hab ich nicht geglaubt, dass ich derjenige war, der dafür verantwortlich sein sollte. Bis zu dem Moment, als Vater zusammenbrach.« Er sah Aralorn an. »Ich bin ja so froh, dass er nicht tot ist. Als man ihn in die Feste brachte, hab ich mir mein Jagdmesser angesehen – da war getrocknetes Blut an der Klinge, gleich unter dem Griff, wo mein Schnupftuch das Eisen wohl nicht richtig saubergewischt hatte.«
»Gerem«, sagte Kisrah, »von uns allen hier trifft dich wohl die geringste Schuld. Ohne den Schutz des Zaubers, der den Meister an den Schüler bindet, kann ein Traumwandler von Geoffreys Format dich alles machen lassen, was er will. Dass du einen Hasen getötet und Vieh verbrannt oder geholfen hast, den Löwen mit diesem Bann zu belegen, macht dich nicht schuldiger als ein Schwert, das geführt wurde, um Wunden zu schlagen.«
Aralorn hätte ihn küssen mögen.
Gerems Mund verzog sich nur geringfügig zu einem Lächeln. »Ihr wollt also sagen, ich war nur eine Axt, die zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen ist?«
Der Erzmagier lächelte und nickte. »Wenn wir deinen Vater befreit haben, werde ich mit ihm über einen würdigen Lehrer für dich sprechen.« Er wandte sich an Nevyn. »Und ich werde sicherstellen, dass der Junge nicht deine Erfahrungen machen muss, Nevyn. Du hättest was sagen sollen –« Er hielt inne, als Nevyn zurückwich. »Ach, es ist jetzt auch egal.«
Wolf faltete die Bögen mit den Zeichnungen zusammen und verstaute sie in einem Beutel, den er am Gürtel trug.
»Weißt du nun genug, um ihn zu befreien?«, wollte Aralorn von ihm wissen.
Wolf zögerte. »Ich habe hierbei nur einen Versuch. Daher möchte ich gern noch ein wenig darüber nachdenken. Ich weiß, wo mein Vater seine wertvollsten Zauberbücher aufbewahrt hat. Lass sie mich einen Tag oder so studieren, bevor ich es wage.«
»In meiner Bibliothek«, bemerkte Kisrah trocken.
»Nicht direkt«, sagte Wolf. »Erinnert mich später daran, dass ich Euch ein paar der Geheimnisse zeige, welche die Burg des ae’Magi noch für Euch bereithält. Bis dahin werde ich einige Dinge nachschlagen müssen.«
»Das erscheint mir eine gute Idee«, meinte Kisrah. »Braucht Ihr Hilfe?«
Wolf schüttelte den Kopf. »Nein, er hat gerade mal zwei Runenbücher benutzt – Runen waren auch nicht Vaters Stärke.«
Kisrah biss sich auf die Lippe. »Bevor Ihr geht … Darf ich Euch um ein Gespräch unter vier Augen bitten, Cain?«
Wolf hob überrascht eine Augenbraue. »Sicher.« Er ergriff Aralorns Hand und führte sie an seine Lippen. »Ich bin heute Abend zurück.«
Sie lächelte und küsste seine Wange. »Schön.«
Wolf wandte sich wieder zum Erzmagier um. »Wollen wir ein Stück gemeinsam
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