ARALORN - Der Verrat (German Edition)
ist.«
»Nachdem er den Bann vom Löwen genommen hätte, wäre er wohl zu erschöpft, um Euch viel entgegenzusetzen.« Er setzte sich abrupt auf und verzog verächtlich den Mund. »Von mir aus könnt Ihr verrotten, Cain, aber Henrick war mir mehr ein Vater, als mein leiblicher es je gewesen ist, und ich habe mitgeholfen, ihn in diese Lage zu bringen. Jede Magie, die das aufzuheben vermag, was dem Löwen angetan wurde, muss eine überaus mächtige sein. Es wurde zusehends offensichtlich, dass es Geoffrey völlig einerlei ist, ob Henrick lebt oder stirbt – aber mir ist es das nicht. Wenn ich euch also dabei helfen kann, den Bann zu brechen, gut. Und wenn Ihr dabei sterben solltet, Cain, umso besser.«
»Gut«, sagte Wolf, doch Aralorn ließ ihn nicht aus den Augen.
»Was geschah mit dem Schwert, nachdem du den Zauber darauf angebracht hattest«, fragte Kisrah.
Nevyn sog scharf die Luft ein. »Ich gab es Henrick an dem Tag, an dem er verzaubert wurde. Ich traf ihn bei den Ställen, bevor er aufbrach, um den niedergebrannten Hof in Augenschein zu nehmen. Ich sagte ihm, dass Aralorn es durch einen Boten hat schicken lassen.« Er senkte den Blick. »Henrick gab mir daraufhin sein altes Kriegsschwert, sagte, ich solle es in die Waffenkammer bringen, und legte sogleich das neue an.«
Mit einer Leichtigkeit, die mehr Übung verriet, als Aralorn vermutet hatte, gestikulierte er mit beiden Händen, und im nächsten Moment erschien ein Schwert auf dem Boden. »Es war diese Waffe. Nun wisst ihr, woher wir wussten, dass er sie mit Freuden annehmen würde.«
Es war weder ein Zeremonienschwert noch besonders kunstvoll. Doch selbst Aralorn, die nie ein großer Waffenfachmann gewesen war, erkannte, dass es eine überaus sorgfältig hergestellte Klinge war. Der hölzerne Griff nicht sonderlich aufwendig gearbeitet, aber stabil und glatt. Nein, es war vor allem die Schneide, die auf überragende Qualität hindeutete. Unzählige gleichmäßige Faltungen kennzeichneten die Klinge als Meisterwerk eines überaus begabten Waffenschmiedes.
Wolf kniete nieder und fuhr mit der Hand über die Waffe, ohne sie zu berühren. »Es findet sich keine Magie mehr darin, nur mehr die natürliche Macht des Eisens.« Er lächelte. »Sie gehörte einst dem Vorgänger meines Vaters. Was bedeutet, dass sie nun in Euren Besitz übergeht, Kisrah.«
»Nein«, widersprach der Erzmagier vehement. »Wenn ihm nichts Böses mehr innewohnt, dann soll das Schwert dem Löwen gehören, sofern du ihn denn retten kannst. Er hat einen hohen Preis dafür gezahlt.«
Nachdem er die Waffe herbeigezaubert hatte, ignorierte Nevyn sie völlig. Er kam auf die Beine und ging um Wolf herum zu dem aufgebahrten Löwen. »Er wird mich hassen, wenn er erfährt, was ich getan habe.« Düster starrte er auf den leblosen Körper herab.
»Nein«, sagte Aralorn sanft. »Er hat von keinem seiner Kinder erwartet, vollkommen zu sein. Erzähl ihm, was du uns erzählt hast, und er wird es verstehen. Auch er schätzte Geoffrey.«
Nevyn schüttelte den Kopf.
»Schätze, dann bin jetzt wohl ich dran«, meinte Gerem mit roten Ohren und brüchiger Stimme.
»Ja, jetzt bist du dran«, stimmte Aralorn zu.
»Ich hatte schon länger seltsame Träume. Albträume meistens.« Er schluckte hart. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
Sie warteten geduldig, gaben ihm Gelegenheit, seine Gedanken zu ordnen.
Schließlich sah er Aralorn an. »Ich weiß nicht, wie das Leben auf Lammfeste war, als du noch ein Kind warst, aber mir erschien es hier immer, als wäre ich verloren inmitten der Menge. Ich bin nicht geschickt mit der Klinge und hab auch keine Freude daran, einen armen Fuchs oder Wolf zu jagen. Alles, was ich wirklich gut kann, ist reiten, aber das können Freya und Lin auch. In der Woche … in der Woche, als Vater verzaubert wurde, hatte er mich gerade ein Mal angesprochen. Und das auch nur, um mich zu fragen, ob ich denn auch Kleider besäße, die mir passten.« Unbewusst zog er den Ärmel seiner Jacke herunter, bis der gerade das Handgelenk berührte, und schob ihn gleich darauf wieder nach oben.
»Eines Nachts träumte ich, dass ich mein Pferd sattelte und zu dem alten Hof rausritt. Unter einem Strauch versteckte sich ein Hase, den ich mit meinem Bogen tötete. Und dann, als er starb, geschah etwas … Ich spürte, wie mich eine machtvolle Welle durchströmte, bis ich nicht mehr an mich halten konnte. Ich lief am Außenzaun des Hofes entlang und sang, während das Blut des
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