ARALORN - Der Verrat (German Edition)
Mutter eingewilligt hätte, würde sie noch leben.«
Seine Lider senkten sich, um, während er nachdachte, den Ausdruck in seinen Augen zu verbergen. Sie war sich nicht sicher, ob ihr Appell etwas bewirken würde, vor allem nicht, weil sie keine Ahnung hatte, ob ihre Mutter sich genug aus dem Löwen gemacht hatte, um ihm zu Hilfe zu eilen.
Es war nicht ausgeschlossen, dass er mitkommen würde. Niemand konnte dem Charme des Löwen widerstehen, nicht einmal, so hoffte sie, Halven. Sofern er ihren Vater genügend mochte …
Wolf beobachtete Aralorns Onkel voller Mitgefühl – wenn es sein musste, war Aralorn imstande, einer Katze die Maus abzuschwatzen. Er verstand nur die Hälfte des Gesprächs, aber Halvens Gestik und Aralorns Worte reichten vollkommen aus.
Für einen Moment fragte sich Wolf, wieso Aralorn ihm einmal erzählt hatte, sie sei ihrem Onkel egal. Der arme Mann hatte seinen Blick nicht mal lange genug von ihr gelöst, um zu merken, was ihr treuer Begleiter wirklich war. Die Gestaltwandler hatten nur wenige Kinder – und Halven hatte, wie Wolf wusste, gar keine.
»Überlass doch die Menschen ihrer eigenen Drangsal«, sagte eine Lerche, als sie auf Halvens Schulter landete. Ihre Stimme war piepsig und hell und machte es schwierig, sie zu verstehen.
Gereizt hob er die Schultern und veranlasste damit den kleinen Vogel, sich auf einem der Torpfosten niederzulassen. »Geht dich das was an, Kessenih? Kümmer dich um deinen eigenen Kram.«
Aralorn hätte jubeln können. Nichts war geeigneter, ihren Onkel umzustimmen, als der Einspruch seiner Frau.
»Also schön, Aralorn«, sagte er. »Ich werde dich zur Feste begleiten und mir deinen Vater ansehen. Ist diese dämliche Gans immer noch der einzige Vogel, den du zuwege bringst?« Abrupt hielt er inne und runzelte die Stirn. »Dein Hund« – er unterbrach sich, betrachtete einen Augenblick Wolf – »dein Wolf da behindert uns nur.«
Diesmal hatte er Wolf zwar länger angesehen, aber dessen wahre Natur nach wie vor nicht erfasst. Normalerweise erkannten Gestaltwandler einander – doch Halven hatte Wolfs tatsächliche Persönlichkeit ebenso wenig erkannt, wie einst Aralorn bei ihrer ersten Begegnung.
»Wieso treffen wir uns nicht dort?«, schlug sie vor. »Ich laufe mit Wolf zurück. Vielleicht helfen uns unterwegs ja die Steine.«
Halven runzelte abermals die Stirn. »Na gut. Ich werde die Steine bitten, dich schneller nach Lammfeste zu bringen. Manchmal nützt’s was.« Es erklang das Flattern von Bussardschwingen, dann war er auf und davon.
5
»Soso, dann bist du also erwachsen geworden«, stellte die Lerche auf dem Torpfosten fest, nachdem Halven fort war.
Aralorn verbeugte sich leicht vor dem schwarz-gelb gestreiften Vogel. Da sie nicht wusste, wie gut ihre Tante Rethisch verstand, wechselte sie wieder in die Sprache, die Kessenih benutzte, zurück. »Wie du siehst, Tante.«
»Diese Sache führt zu nichts Gutem.« Die perlenartigen Augen der Lerche funkelten Aralorn böse an. »Wenn bekannt wird, dass Halven schon wieder zur Burg gegangen ist, wird man ihn ausstoßen. Als er dem Löwen mit der Viehzucht geholfen hat, war es fast schon einmal so weit. Ihm wurde untersagt, ohne die Einwilligung des Rats noch einmal Kontakt zu den Menschen aufzunehmen.«
Einen Moment lang schaute Aralorn auf den schneebedeckten Boden. Sie wusste nicht, wie weit sie Kessenih vertrauen konnte. Ihre Tante hasste ihren Mann fast ebenso sehr, wie sie Aralorn verachtete.
»Es ist seine Entscheidung«, sagte Aralorn schließlich, vielleicht ein wenig zu heftig. »Ich hatte keine andere Wahl, als ihn zu bitten.«
»Selbstsüchtiges Kind«, warf ihre Tante ihr vor.
»Mag sein«, gab Aralorn zu, »aber Tatsache bleibt, dass die Gestaltwandler ebenso sehr von der Weiterexistenz meines Vaters profitieren wie ich, wenn nicht gar mehr. Es ist also in deinem eigenen Interesse, wenn du niemandem etwas von Halvens Ausflug erzählst, denn wird er verbannt, wirst du sein Schicksal teilen.«
»Dann verschwindest du wohl besser von hier, bevor irgendjemand was merkt«, schnappte Kessenih und flog davon.
Wolf wartete, bis sie außer Sicht war, bevor er sprach. »Hat sie irgendwas Gemeines zu dir gesagt?«
Aralorn nickte. »Mein Onkel setzt eine Menge aufs Spiel, indem er uns hilft«, sagte sie, nun wieder auf Rethisch.
»Er wird uns helfen? Das war mir so noch nicht klar.«
»Er trifft uns auf der Burg.« Resigniert zuckte sie die Achseln. Sie fühlte sich schuldig, weil sie
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