ARALORN - Der Verrat (German Edition)
errichten. Die Steine lenken die Pfade und wirken zur Absicherung des Tals beständig Magie.« Sie lächelte. »Wenn sie Halven gehört haben, sollten wir nicht allzu lange brauchen, um wieder nach Hause zu kommen.«
Der Wald um sie herum war dicht, und der Weg, den sie entlangtrotteten, wurde mehr und mehr zu einem kniehohen Gestrüpp aus immergrünen Pflanzen inmitten der alten Bäume. Streckenweise wurde das Dickicht unpassierbar, sodass sie den Pfad komplett verlassen und weiträumig nach einem besseren Weg um ihn herum suchen mussten. Auf eben einem solchen Umweg geschah es, dass sie auf einer kleinen Lichtung auf eine alte, verlassene Steinhütte stießen.
»Das Einsiedlerhäuschen«, rief Aralorn überrascht aus. Sie ließ ihren Blick durch den Wald ringsum schweifen und schüttelte den Kopf. Es war schon komisch, wie vertraut ihr mit einem Mal alles vorkam, jetzt, da sie wusste, wo sie war. »Darauf hätte ich auch eher kommen können: Dies ist der einzige Teil von Lammfeste, wo es so viel Wald gibt. Wir sind zwar nicht so nah bei der Feste, wie man es sich wünschen würde, aber wenn wir von hier aus genau Richtung Süden gehen, sollten wir noch vor dem Abendessen dort sein.«
Da plötzlich, im selben Moment, als sie sich zu Wolf umwandte, brach ein halbes Dutzend Meter entfernt etwas durch die Bäume. Sie fuhr herum und sah ein Tier aus dem Wald auftauchen, so groß wie Schimmer, jedoch um einiges massiger. Es gab einen heiseren, klagenden Laut von sich, der sich tief aus seiner Brust löste und zu einem durchdringenden Wimmern anstieg.
Die entsetzliche Kälte seines Atems streifte ihr Gesicht, obwohl sie ihn auf die Entfernung hin eigentlich gar nicht hätte spüren sollen. Das Tier war von einem dicken weißen Fell bedeckt, das sich in der mächtigen Mähne um seinen Hals zu einem schmutzigen Gelb verdunkelte. Sein plumpes Gesicht ähnelte dem eines Bären, doch die aus den Augen hervorblitzende Intelligenz ließen es noch um ein Vielfaches bedrohlicher erscheinen.
»Ein Jauler«, stieß sie mit ungläubigem Flüstern hervor, während sie zurückstolperte.
Diese Kreaturen waren sogar in den Nordlanden, wo sie mit den Winterwinden jagten, ausgesprochen selten. Sie hatte noch nie von einer gehört, die sich so weit in den Süden vorgewagt hätte, doch dann fiel ihr das Gemunkel der Fallensteller ein, die von einem vermehrten Aufkommen an magischen Wesen in den Nordlanden während der letzten paar Jahre berichteten. Aber so Furcht erregend das Scheusal auch sein mochte, die Geschichtenerzählerin in Aralorn sog das Bild von ihm gebannt in sich auf.
Fasziniert wanderte ihr Blick von den Hauern des Jaulers hinauf zu den wie Diamanten funkelnden Augen, um dort zu verharren. Beinahe augenblicklich versank außer dem Jauler alles um sie herum in Bedeutungslosigkeit. Vage, beinahe entrückt, fühlte sie, wie sie ein eigenartiges Schwindelgefühl überkam, das sich rasch zu Übelkeit steigerte. Obwohl sie wusste, dass sie fest auf dem Boden stand, konnte sie nichts Solides unter ihren Füßen spüren. Als sie, aus ihrer Verankerung gerissen, zu schwanken begann, berührte sie der Wind – nur sanft zuerst und ganz sacht.
Traurigkeit. Verzweiflung. Sie haben hier keinen Platz, können in dieser Wärme nicht sein. Aralorn schreckte vor der fremden Flut an Empfindungen zurück, konnte dem Netz, in das der Jauler sie eingesponnen hatte, jedoch nicht mehr entrinnen.
Es gab Dinge, die zu erkennen der menschliche Geist nicht gemacht war … die Farbe von Wärme und die Stimmen, die auf den Winterwinden ritten. Wie man dahinglitt auf den blauen Strömen aus schneidendem Eis. Die zahlreichen Gespinste des Bösen und deren verlockenden frostigen Griff. Das Böse gab mit vollen Händen jenen, die SEINEN Ruf hörten … diese eine Kreatur hatte ES ausgesandt, nach einem Gestaltwandler zu suchen. ES wollte den Wolf tot sehen und hatte dafür eine Heimkehr zu sich endlos erstreckenden kalten Schneelaken verheißen.
Ein gequältes Heulen mischte sich in die immer lauter werdende Kakophonie um sie herum. Eisfarbene Augen wandten sich von ihr ab.
Entlassen aus dem Griff des bleichen Starrens, stürzte Aralorn auf Hände und Knie, fühllos für die beißende Kälte des Schnees, nachdem sie von etwas noch viel Kälterem berührt worden war. Tosend blies um sie herum der Wind. Sammelte seine eisigen Gedanken und drang mit Tausenden und Abertausenden von Stimmen auf sie ein, Stimmen, die raunten und kreischten von Tod und
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