ARALORN - Der Verrat (German Edition)
konnte jedoch nur die Kraft seiner Versiegelungszauber erspüren. Sie verstand zu wenig von Menschenmagie, um Feinheiten zu entschlüsseln.
»Irgendwer hat sich hier zu schaffen gemacht, um meine Schutzzauber zu beseitigen. Aber er hat auf halbem Wege aufgegeben, als wäre er unterbrochen worden oder hätte es sich plötzlich anders überlegt.«
»Vielleicht ist er auch einfach nur an seine Grenzen gestoßen«, meinte sie.
Wolf schüttelte den Kopf. »Nein, er wusste genau, was er tat – er hätte die Versiegelungszauber mühelos aufheben können.«
»Nevyn?«, schlug sie vor.
Er zuckte die Achseln. Stirnrunzelnd strich er vor dem Vorhang mit der Hand durch die Luft, ließ sie auf der Außenseite seines Abwehrschutzes ruhen. »Ich weiß es nicht, aber er muss es wohl gewesen sein. Falls nicht noch irgendwelche anderen Magier auf Lammfeste leben. Ich frag mich, ob er die Zauber als meine identifiziert hat.«
»Könnte er das?«
»Möglicherweise.«
»Irrenna sagt, sie hätte Kisrah um Hilfe gebeten – obwohl ich nicht annehme, dass ihre Nachricht ihn schon erreicht hat«, sagte Aralorn. »Nevyn ist der wahrscheinlichste Kandidat. Soweit ich weiß, halten sich derzeit keine anderen ausgebildeten Magier in den Ländereien meines Vaters auf. Ich werd mich allerdings mal umhören.« Was, wenn Nevyn herausgefunden hatte, dass Wolf hier war?
»Was spielt das für eine Rolle, wenn die Schutzzauber nicht durchbrochen wurden?«, fragte Halven.
»Wolf ist unter den Magiern derzeit nicht sehr beliebt«, erklärte Aralorn. Auch wenn Geoffrey ae’Magi spurlos in einer von hungrigen Uriah wimmelnden Burg verschwunden war, so schrieben die Gerüchte seinen Tod doch seinem Sohn Cain zu – der nun mal leider auch ihr Wolf war.
»O Meisterin der Untertreibung«, murmelte Wolf, »seid mir zum Gruße.«
Ihr Onkel klapperte gereizt mit dem Schnabel, flog von ihrer Schulter und nahm, als er auf dem Boden landete, menschliche Gestalt an.
»Und wie es der Zufall will, kenne ich da einen Magier, der von vielen Angehörigen seiner Zunft händeringend gesucht wird«, sagte er.
Aralorn hob angriffslustig ihr Kinn, und Halven lachte. »Nicht nötig, mich gleich mit Blicken zu zerfleischen, mein Kind. Ich kann schweigen. Welchen Grund sollte ich haben, einem verkommenen Haufen von stümperhaften Menschenmagiern einen Gefallen zu tun?«
Sie starrte ihn an, doch da hob Wolf schon mit einer ungeduldigen Geste seiner linken Hand die Versiegelungszauber auf. »Es gab mal eine Zeit«, sagte er, »da haben wir uns in erster Linie um unsere vordringlichsten Problemen gekümmert.« Mit den Worten schlug er den Vorhang beiseite und setzte die dunkle Kammer des Löwen dem Schein der Lampen in dem Trauersaal aus.
Aralorns Vater lag unverändert auf der Steinbahre. Wolf griff in einen abgeschatteten Bereich und zog von dort seinen Stab hervor, wo immer der auch gewesen war, nachdem er ihn in den Wäldern zurückgelassen hatte. Als er ihn aufnahm, flackerten die aus dem oberen Ende wachsenden Kristalle hell auf, bevor sie sich zu einem blauweißen Leuchten beruhigten, das die Dunkelheit aus dem Raum, in dem der Löwe ruhte, vertrieb.
Halven trat daraufhin durch den Eingang. Aralorn tat es ihm gleich und überließ es Wolf, den Vorhang zu schließen und ihr Tun vor neugierigen Blicken zu verbergen.
Einen Augenblick lang sah Halven sich die Totenbahre sorgsam an, bevor er sich zu Aralorn umwandte. »Hattest du nicht gesagt, eine Kreatur würde ihn bewachen? Ich sehe – bei den Ahnen! «
Aralorn wirbelte herum, um ebenfalls auf Wolf zu blicken. An der Wand, dort, wo eigentlich gar keine Schatten sein sollten, kroch langsam ein fast unmerkliches Halbdunkel die Steine herab. Es war nur eine Winzigkeit dunkler als der Raum selbst, fast so, als würde ihre Phantasie Unholde malen. Sie fuhr wieder zu Halven herum und öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, als der rabiate Griff ihres Onkels sie jäh beiseite und hinter ihn zog.
Auch Wolf hatte sich inzwischen umgedreht, um zu sehen, was Halvens Ausruf ausgelöst hatte. Er entdeckte den Schatten gerade in dem Moment, als dieser den Boden berührte und plötzlich nach vorne schnellte. Geschwind kräuselte er sich über die Steine, floss an beiden Seiten um Wolf herum wie ein Wasserlauf um einen Fels – obwohl er an keiner Stelle mit ihm in Kontakt kam. Vor Halven kam das Ding zum Stillstand, gestoppt durch dessen Magie.
Magieschild , begriff Wolf, das Muster erkennend, obschon die Magie,
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